Flashback: Hamburg

Von Polen ging es dann ins heimatliche Hamburg. Dort spielten wir im Operettenhaus, in dem normalerweise das Udo Jürgens – Musical „Ich war noch niemals in New York“ läuft. Auf dem wie immer größerklickbaren Panoramabild kann man sehen, daß die Bühne natürlich voll mit den Kulissen dafür steht. In der Vorbereitung war Hamburg recht intensiv; viele Dinge waren bis zuletzt unklar. Durch die Großbaustelle der „Tanzenden Türme“ nebenan war beispielsweise nicht sicher, ob wir überhaupt ans Ladetor können. Auch war es bisher noch keiner Fremdproduktion erlaubt worden, das hauseigene Catering zu nutzen. Und dann hängt das Dach so voll, daß da kaum Platz & Gewichtskapazität für unser Rigg ist. Letztlich war dann alles zwar recht arbeitsintensiv, aber nicht ganz so schlimm, wie befürchtet; auch wenn wir in einigen Punkten doch schwer bastelten und recht lange brauchten.

Auch für die Hauskollegen ist so ein Gastspiel am für sie eigentlich freien Montag natürlich eigentlich sehr ärgerlich. Aber nach kurzer Zeit hatten wir uns aneinander gewöhnt und so gab es dann auch Lösungen, die ich hier gar nicht erzählen darf, weil das sonst jeder, der Montags das Haus bespielt, so haben will. Für uns war das aber super, denn wir hatten Deutschlandpremiere, dementsprechend viel Presse und Management im Haus, da will man ja alles möglichst original haben.

Flashback: Łodz

Im Klub Wytwornia in Łodz erwartete uns nicht nur eine ebenfalls nicht den Angaben entsprechende Riggingsituation, sondern überhaupt eine sehr … spezielle … Konstruktion im Dach. Es gibt verschiedene, auf Schienen verschiebbare Riggingpunkte; das ist ja erst mal toll. Allerdings sind es keine echten Punkte, sondern von oben bedienbare Handkurbelzüge, bei denen das Stahlseil auf eine recht schmale Trommel aufgewickelt wird. Geschieht das nicht absolut ordentlich und gleichmäßig, dann rutscht das Seil beim Hochkurbeln zwischen darunterliegende Lagen auf der Trommel und der ganze Punkt sackt ab. Das will man bei einer Trussbox, die an acht ausgereizten Punkten hängt, deutlich nicht sehen. Die örtlichen „Rigger“ nehmen diese Probleme allerdings nicht so richtig ernst. Zu einer richtigen Schreierei eskaliert das Ganze dann beim Abbau, als einer der „Rigger“ beginnt, schon mal einen einzelnen Punkt abzulassen — während unter dem gut zwei Tonnen schweren, auf acht Metern Höhe hängenden Rigg etwa zehn Menschen arbeiten. Ich weiß gar nicht, wie man auch nur in die Nähe des Gedankens kommen kann, sowas zu tun.

Bei diesen ganzen „Unzulänglichkeiten“ vergißt man leider leicht, daß es in der alten Halle durchaus sehr schöne Ecken gibt und vor allem, daß wie am Abend zuvor in Warschau die Show unglaublich gut bei den Leuten ankommt. Die Hallen sind ausverkauft, die Menschen applaudieren frenetisch und man könnte sich wirklich freuen, wenn man nicht ob der Umstände so angespannt wäre. Eigentlich sehr schade.

Flashback: Warschau

Warschau ist eine Stadt, die ich sehr mag. Ich war schon oft dort, kenne ein paar Warschauer und fühle mich da einfach zuhause. Warschau ist nicht schön, aber herzlich. Und melancholisch. Das erklärt auch das erste, total unscharfe Bild: über der Innenstadt schwirren bei Einbruch des Abends tausende von Krähen. Die ganze Luft ist voll von den Vögeln und vom Gekrächze. Von überall her krächzt es im Superdolbysurround; das bekäme kein Filmtonmann so gut hin, wie es hier jeden Abend im Winter geboten wird. Allein das ist ein Besuch in der Stadt wert.

Wir spielten im Kulturpalast direkt neben dem unterirdischen Hauptbahnhof mitten in der Stadt. Das protzige Gebäude wird von den Einheimischen nach dem Erbauer auch Stalinorgel genannt und nicht nur geliebt. Manche ältere Warschauer sehen es als Zeichen der russischen Okkupation.

Der große Saal sieht schon wirklich sehr schön aus; achtet auch mal auf das Deckensegel über der Bühne. Das hat alles schon Klasse und so kann man auch mal die Geschichte des Baus vergessen und einfach nur froh sein, hier spielen zu können. Jedenfalls so lange, bis man sich dann mal um die Technik kümmert. Wieder ist es so, daß wie in Tallin die vorher zugeschickten Angaben zu den Riggingpunkten nicht stimmen. Dabei ist das Gebäude hier nun wirklich alt genug, um zuverlässige Informationen zu haben. Der Riggingplan, der mir vor Ort vorgelegt wird, zeigt jedenfalls 40% weniger mögliche Lasten an, als der, den ich vorab bekam. Bei meiner Rückfrage bekam ich dann zur Antwort: „Na ja … geht vielleicht auch. Hat bisher immer gehalten.“ Super. Das sind ja sichere Angaben.

Es gibt auch ausreichende Stromanschlüsse an der Bühnenrückseite. Etwa in der Bühnemitte die für das Licht, stage right die für den Ton. Bei uns steht der Ton stage left, das Licht stage right und so entschließen wir uns, die Anschlüsse einfach zu drehen, Licht auf den Tonanschluß und Ton auf den Lichtanschluß zu legen. Das bekommen die Haustechniker mit und beginnen das große Zetern. Das sei auf keinen Fall möglich, wir müssen das anders machen. Wir verstehen das nicht — ein 125er ist ein 125er und ein 63er ist ein 63er. Dem Stecker ist doch egal, was daran angeschlossen wird und so lange wir keinen Hauston nutzen, machen auch eventuelle Potentialunterschiede nichts. Aber mit den Hausleuten ist nicht zu reden, sie ziehen sogar mitten in der Fahrt den Motorenstecker aus dem Tonstrom…… Gut, das ist verstanden.

Daß seit der Einweihung durch Stalin technologisch nicht mehr viel in dem Bau passiert ist, sieht man am Inspipult des Hauses. Die Zeiger der Uhr sind lange abgefallen und mit Filzstift aufgemalt.

Und beim Blick auf die HausPA werden alte Gefühle wach. Ich verstehe gar nicht, warum Hermann sich standhaft weigerte, sie zu nutzen. So alte W-Bins machen doch tolle Bässe. Hihi.

Insgesamt zieht sich der Tag dann hin, was nicht nur an den sehr altprinzipientreuen Haustechnikern, sondern auch an den etwas unterernährten Jüngelchen schmalbrüstigen Helfern liegt, die zum Verdunsten neigen. Gunta hat abends Angst, die Kisten in die dritte Etage tippen zu lassen, kommt aber nicht drumherum, weil sonst nicht alles ins Auto paßt. Während des Abbaus erleben wir, daß im Gebäude auch mehrere Diskos beheimatet sind und die akustische Trennung der einzelnen Säle nicht so gut ist: der ganze Saal scheppert im Beat der Bässe. Neben einigen musikalischen Katastrophen anderer Clubs hört sich aber der Klub 55 im Nebengebäude ganz gut an und ist sicher einen Besuch wert.

Beim rausfahren entdecken wir, daß wohl der ein oder andere schon mal versucht hat, ohne bezahltes Parkticket durch die Schranke zu brettern. Das würde man jetzt eher nur noch mit einem Panzer versuchen. Die Dornen machen jedenfalls einen äußerst stabilen Eindruck. Zum Glück haben wir Ausfahrtickets und so gondeln wir nach Łodz.

Währungen

Ich bin kein Freund der politischen EU. Die Interessen der einzelnen Länder sind einfach zu unterschiedlich, um sie sinnvoll unter einen Hut zu bekommen. Aber ich bin ein großer Freund der alten EWG und des Euros und unsere Tour bestätigte mich noch mal darin. Der EWG und EG ist es zu verdanken, daß wir fast überall ohne große Zollformalitäten reisen konnten. Das ist sehr angenehm, dann des Nächtens bei Regen und in Kälte mit irgendwelchen Zollbeamten zu verhandeln gehört nicht zu den Dingen, wegen derer ich meinen Job so schätze. Statt dessen fährt man einfach über die Grenze. Sehr gut.

Unsere Termine in Rußland, Estland, Lettland, Litauen und Polen zeigten mir auch noch mal, wie lästig diese Geldtauscherei ist. Täglich eine neue Währung, täglich das Geld von gestern in das Geld von heute tauschen und dabei natürlich Wert verlieren. Das braucht kein Mensch. Und darum begrüße ich die weitere Verbreitung des Euros aufs Herzlichste, denn in der Eurozone kann man herrlich angenehm reisen, man hat immer die passende Kohle in der Tasche.

Flashback: Vilnius

Mittlerweile habe ich mich von der Gregorian – Tour ein wenig erholt, alle Wäsche ist gewaschen und der Postberg auch abgetragen, also kann ich mal von den Städten berichten, in denen ich zum Bloggen nicht gekommen bin. Zum Beispiel von Vilnius in Litauen. Da sollten wir eigentlich nach Tallin spielen, aber weil der örtliche Veranstalter plötzlich auf toten Mann machte und weder mit letzten Informationen, noch mit der vereinbarten Vorabgage rüberkam, verbrachten wir zwar dort zwei Tage, hatten aber spielfrei — was nach dem Rußland – Abenteuer jetzt auch nicht sooo schlecht war.

Eben weil es der erste freie Tag seit Probenbeginn war, verschlief ich wesentliche Zeit und bekam nur wenig mit. Immerhin sah ich die etwas spezielle Werbung für ein Restaurant und war auch shoppen. Ziemlich in Hotelnähe gab es diese Passage hier, deren fliegende Gondeln als Cafés mir gefielen. Außerdem gab es dort einen Reserved – Laden. Diese Marke kenne ich aus Polen, in Deutschland sah ich sie bisher nie und dort gibt es recht schöne Klamotten zu  ziemlich günstigen Preisen. Am zweiten Tag ging auch Hermann hin.

Darüber hinaus gibt es auch eine ganz schöne Altstadt, aber als ich dorthin ging, hatte ich meinen Photoapparat im Hotel liegenlassen, ich kann also keine Bilder bieten.

Wir standen ja noch ganz frisch unter dem Eindruck der russischen Weiblichkeit, verglichen also noch alle Frauen mit den Russinnen. Die in Vilnius kamen dabei gar nicht so schlecht weg. Sie waren viel europäischer, viel weniger aufgebrezelt, viel weniger herausfordernd als in Rußland, aber von einer sehr natürlichen Schönheit und Herzlichkeit, so daß nicht wenige von uns hier mehr angetan waren, als vom optischen Kampfangriff in Moskau oder Petersburg. Sehr angenehm.

Ernte

Bevor der Herbst mit Spatzenfest, Anna Maria Kaufmann (eine Produktion, über die ich gar nicht zum bloggen kam) und Gregorian losging, hatte ich ja die Aufgabe dafür zu sorgen, daß Ben Hur Live ausreichend in der Fachpresse gewürdigt wird. Wenn ich mir die Titelblätter anschaue, dann bin ich ja schon ein wenig stolz.

Danke

Am Ende der Tour wie immer ein Danke. Und dieses mal ein besonders herzliches. Wie schon im Nürnberger Artikel angedeutet, haben wir zusammen einiges durchgemacht. Gesundheitlich und auch von den Mentalitäten der Örtlichen her. Trotzdem haben alle immer alles gegeben und wir sind zu einem schlagkräftigen Team zusammengewachsen, auf das man mächtig stolz sein kann. Das waren im Einzelnen:

  • Hermann Boddin für allen Ton vor der Bühnenkante
  • Dennis Preiss für allen Ton hinter der Bühnenkante
  • John Davis für alles Licht vor der Bühnenkante
  • Oliver Zerrenner als Lichttechniker & Requisiteur
  • Thomas Diepolder als Stromer/Dimmermann & Requisiteur
  • Reiny Reincke als Backliner
  • Sven Kloß und
  • Mario Rallo als Köche
  • Christian Tantz als Nightlinerfahrer
  • Gunta Ausmann als Trucker

Egal wie schwachbrüstig die Helfer, wie kalt die Halle, oder wie unwillig der Örtliche war, es gab immer die maximalmögliche Show. Kreuze wurden selbst auf Bühnen gebaut, auf denen man kaum wußte, wohin mit sich selbst. Essen wurde bei Schneeregen im Truck gekocht. 700 Kilometer wurden mal eben in einer Schicht bei Schneefall weggefahren.

Ich verneige mich tief und sage: Danke, danke, danke !

Nürnberg. Letzter Tag. Wir verlieren den Kampf.

Bevor ich vom letzten Tag erzähle, will ich erst mal ein paar Bilder von der Tour zeigen. Mir ist aufgefallen, daß ich seit langem so wenig Showphotos gemacht habe, wie auf dieser Tour. Ich kam einfach nicht richtig nach vorne. Dabei wäre die Show durchaus photographierenswert gewesen. Es gab viele wirklich schöne Details und dazu ein wirklich geiles Licht.

Nun denn, jetzt also Nürnberg. Der Einbau erst mal völlig normal. Zwischendurch wurden alle Kabelbäume aufgetrennt und es sah so aus, als ob es ein geschmeidiger Tag werden würde. Das Erwachen kam dann kurz vor der Show: Rich, einer der Mönche, verabschiedete sich in Richtung Toilette und ward danach eigentlich nur noch in gekrümmtem Zustand gesehen. In der Pause folgte Gunther, der Gitarrist. Den hatte es so stark erwischt, daß sein kompletter Kreislauf zusammenklappte und der Notarzt verständigt werden mußte. Während der trotzdem eingestarteten zweiten Hälfte zog es Dennis am Monitor vor, nur noch im Liegen zu arbeiten. So hangelten wir uns durch die leicht eingekürzte Show.

Nach der Show ging ich zum FOH, um mit Hermann (Frontton) zu besprechen, wie wir denn am besten den Abbau ohne Dennis abwickeln können. Er meinte „Ich weiß auch noch nicht, wie lange ich durchhalte.“ Sprachs und drehte sich um, um in die Saalecke zu kotzen. Zum Glück war ein Kollege aus unserem Lager mit seiner Freundin in der Show gewesen; den konnte ich dann überreden, uns beim Abbau zu helfen. An dieser Stelle noch mal ganz, ganz herzlichen Dank, Uwe !

Während ich also mich mit Uwe daranmachte, das Schlagzeug zu entkabeln, verabschiedete sich Olli aus der Lichtabteilung in Richtung Toilette. Auch für ihn riefen wir ärztliche Hilfe.

Später, Hermann hatte trotz einiger Zwischenfälle trotzig die PA abgebaut und auch alles andere war verladefertig, schaute ich nach Gunta, unserem Trucker. Neben dem LKW verräterische Spuren. Ich schaukelte vorsichtig am Spiegel (nie klopfen), das Fenster öffnete sich und zum Glück konnte ich schnell zur Seite springen. Wir luden dann ohne Gunta.

Für mich hatte der weihnachtliche Wunsch nach Gesundheit immer etwas Oma – artiges. Nach dieser Tour, bei der wir gemeinsam Schweinegrippe und eben die Eintageskotzerei überlebten, sehe ich das etwas anders und ich hoffe, daß nach dem kollabierten Groundsupport in letzten und den gesundheitlichen Schwierigkeiten in diesem Jahr im folgenden Jahr die Gregorian – Tour völlig unspektakulär endet.

Heilbronn

Am vorletzten Tourtag waren wir in der Harmonie Heilbronn. Das ist ehrlicherweise ein merkwürdiger Saal. Die Bühne ist unsymmetrisch, man kann sich seine Mitte selbst suchen und vor allem gibt es einen dicken Absatz an der Bühnenrückwand. Die Bühnenwand links (stage right für die Rock ’n‘ Roller) ist verschiebbar, der Freiraum wird durch einen Vorhang abgedeckt. Das ist praktisch, weil man so eine Menge Storage hat, sieht aber aus Publikumssicht immer komisch aus.

Besonders ärgerlich ist dieser Absatz in der Rückwand. Das rosa Kreuz ist der Riggingpunkt für die Backtruss, bei der man aufpassen muß, daß man beim Hochfahren nicht am Vorsprung entlangschrabbert. Wieder die Frage, wie man als Architekt denn sowas planen kann.

Morgens entschließe ich mich, möglichst symmetrisch aufbauen zu lassen. Ich entsinne mich, daß wir bei Annett mal unsymmetrisch bauten und das nicht so doll aussah. Ansonsten gibt es wenig erzählenswertes. Abends baut sogar die Cateringhilfe mit ab, das sogar recht engagiert. Finde ich gut.