Das Drumherum

Es ist Sonntag Morgen, drei Stunden vor Einlaß und vier Stunden vor Konzertbeginn. Die ersten paarhundert Fans haben sich schon vor dem Zelt versammelt. Es herrscht fast so etwas wie Ausnahmezustand, jeder achtet peinlich genau darauf, daß sich niemand vordrängelt, alle wollen später die ersten sein.

Wenn jugendliche Festivalbesucher glauben, daß nur in Scheeßel oder in Wacken gecampt würde, täuschen sie sich gewaltig. Zu den Terminen der Kastelruther Spatzen tauchen hunderte von Wohnmobilen auf und bevölkern das Tal. Von klein und schnuckelig bis groß und perfekt ausgestattet: Spatzenfans scheinen auch Wohnmobilfans zu sein. Zelte gibt es nur ganz wenige.

Ganz anders als bei den großen Rock ’n‘ Roll – Festivals ist das aber hier mit den Ordnern gelöst. Der Backstagebereich ist zwar blickdicht eingezäunt, aufdringliche Fans (und davon gibt es einige und auch sehr dreiste) werden jedoch eher freundlich aufgefordert, die Folie nicht noch weiter einzureißen und bitte die Privatsphäre zu akzepieren. Dabei kann man feststellen, daß 75jährige Omas nicht weniger erfinderisch sind als 17jährige Teenies.

Wenn 15.000 Zuschauer auf Tischen und Bänken hüpfen, dann ist das schon ein echtes Erlebnis und ich finde es eher bemerkenswert, daß nicht ganze Hundertschaften mit gebrochenen Beinen abtransportiert werden müssen. Denn ehrlicherweise fließt daß örtliche Forst – Bier in großen Krügen.

Größer als der Everest ist das Kastelruther Spatzenfest

Diese Behauptung stelle nicht etwa ich auf, sondern ist ein Textauszug aus einem Stück über das Ereignis. Und ein bißchen was ist auch dran. Jedenfalls sahen am letzten Wochenende an drei Tagen in vier Shows 60.000 Besucher die geballte Ladung folkstümlicher Freuden. Bei so einem Konzert spielen nicht einfach die Kastelruther Spatzen, sondern es ist ein vielstündiger Event mit zahlreichen, jeweils wechselnden Vorbands, hier beispielsweise das aus fünf Musikern bestehende Schlernsextett. Ich weiß nicht, ob einer wegen Bauchweh nicht konnte.

Auch Gast am Samstag waren die Salten Oberkrainer, eine handwerklich tolle Kapelle, die mit echter Spielfreue auf der Bühne stand. Man mag zur Oberkrainer Musik stehen wie man will, aber was diese Herren hier boten war richtig gute Musik, die allen Beteiligten incl. uns abgefuckten Technikern großen Spaß gemacht hat. Oft geht es doch in unserem Beruf nur um Show; hier ging es um handgemachte Musik. Und man achte mal auf die kleinen Details wie Gitarre und Baß…

Gast am ersten Abend war Helene Fischer, die ehrlicherweise eher Schlager singt als Volkstum, aber die Massen sicher zu begeistern weiß. Anwesende Kameraleute, egal ob Video oder Photo, egal ob Profi oder Amateur, lieferten sich jedenfalls heiße Schlachten vor der Bühne (an der es keine „three songs, no flash“ – Regel gab). Und auch am Autogrammstand ging es nach dem halbstündigen Set so heiß her, daß Tische flogen und die betreuenden gut gebauten Herren arg ins Schwitzen kamen. Das war schon fast Rock ’n‘ Roll.

Höhepunkt jeder Show war dann natürlich der Auftritt der Kastelruther Spatzen. Diese Band ist tatsächlich ein echtes Phänomen. Das Publikum ist zwischen 17 und 90, extrem textfest und ab der ersten Zeile, ach was, ab dem ersten gespielten Ton partybereit.

Sänger Norbert Rier scheint in den vergangenen 25 Jahren ein genaues Gefühl für seine Fans entwickelt zu haben und zu wissen, was sie hören wollen.

Jedenfalls standen am Ende der Show immer 15.000 Menschen auf Tischen und Bänken, um die Band zu feiern, als wäre es eine angesagte Teenieband. Schon beeindruckend.

Bäuerliche Eventtechnik

Diese Woche bin ich im Südtiroler Ort Kastelruth, wo beim Spatzenfest in vier Shows an drei Tagen insgesamt 60.000 Menschen eine Show eben der Kastelruther Spatzen besuchen werden. Dieses Spatzenfest hat eine lange Tradition und findet in einem gigantischen Bierzelt statt. Damit angetrunkene Gäste nicht über so Kleinigkeiten wie Basements (das sind gewissermaßen die Füße von Traversenkonstruktionen) stolpern, werden diese einfach eingegraben. Das sieht schon ganz lustig aus und man ist schwer versucht, mal die Gieskanne herauszuholen und zu sehen, ob aus den 2,40m – Pieces noch 3m – Stücke werden.

Die Helden der Produktion (und das meine ich jetzt tatsächlich ernst) sind die Holzjungs (hier nicht im Bild; das ist nur Martin, unser SysOp); eine Gang aus pensionierten Bauern, die mit einer Kettensäge schneller eine perfekte Treppe gebaut haben, als Du denen erklären kannst, was Du eigentlich willst. Daß man dann die Herkunft nicht ganz verleugnen kann, sieht man an dem Mischpultplatz, der eher an ein Schweinegehege erinnert. Sehr gefällt mir auch der trockene Südtiroler Humor, mit dem diese Siebzigjährigen gesegnet sind.

Auch wenn das hier harte Arbeit ist — es gibt keine Hands und unsere Truppe aus zehn Leuten incl. zwei Trucker muß wirklich alles rund um die Bühne selbst machen — so finde ich es doch sehr erstaunlich zu sehen, mit welcher Professionalität Chuzpe Erfahrung hier gearbeitet wird. Ich habe großen Respekt.

Frostkonzert

Über das ganze Wochenende war in Hamburg die offizielle Feier zur Volljährigkeit der deutschen Einheit (warum immer diese Feier nicht in einem ehemaligen Grenzort, sondern in einer „normalen“ Stadt gefeiert wird) und in diesem Rahmen gab es viele Konzerte; unter anderem eines mit Annett Louisan, Ruben Cossani und Stefan Gwildis direkt am Wasser der neuen HafenCity.

Das Wetter gestern war nicht so richtig OpenAir – freundlich: extrem windig, ziemlich feucht und kalt. Immerhin so windig, daß man am Nachmittag zwischendurch schon mal alle Kräfte zum eventuellen Abbau der Bühne (die nur bis 8 Bft hält) versammelt hatte. Das blieb uns aber zum Glück erspart. Da den ganzen Tag über Programm auf der Bühne war, durfte ich die Backline schon um 07:30 Uhr bauen. Also vor dem Aufstehen. Abends regnete es wenigstens nicht mehr so richtig. Echte Gemütlichkeit kam aber zumindest hinter der Bühne nicht auf.

Neben Annett, die auch ihre neue Single spielte (in dem Video dazu tanzt übrigens unter anderen Gwenny Ludwig, eine charmante Tänzerin, mit der ich mal lange auf Tour war) und die trotz des Wetters für gute Stimmung sorgte, gab es auch Ruben Cossani zu sehen. Schon optisch sind sie den 60ern verbunden und das hört man auch sehr deutlich.

Den Abschluß machte Stefan Gwildis und ich sah selbst hartgesottene Annett – Fans (Gruß an die erste Reihe), denen das wohl gut gefiel. Zu Recht, wie ich finde, denn Stefan gelingt es immer wieder, seine „Gemeinde“ hinter sich zu versammeln.

Daß Stefan nicht nur singen und Gitarre spielen kann, sondern sich auch auf Percussion versteht, bewies er mal wieder bei seinem schon fast legendären Sulo – Solo.

Für mich kam gestern schon ein wenig Abschiedsstimmung auf. Aller Voraussicht nach war das erst mal mein vorletztes Annett – Konzert, das letzte werde ich am 23.10. betreuen. In der Tourcrew gibt es einige Umstrukturierungen und bevor jetzt irgendjemand „Verrat“ schreit: das ist ein völlig normaler Prozeß, den es auch schon bei den vergangenen Touren gab. Schade finde ich’s natürlich trotzdem.

Alter Mann

Gerade fällt mir noch eine Episode zur letztwöchigen Firmenpräsentation ein. Wir hatten da verschiedene Lautsprechersysteme aufgebaut, damit man die auch mal im direkten Vergleich hören kann. Mittels Galileo waren die auch so eingerichtet, daß sie alle gleich laut schallerten und so konnte man bequem hin und her schalten. Die anwesenden Kunden waren in etwa 5-köpfige Gruppen aufgeteilt und eine dieser Gruppen bestand aus jungen, attraktiven Frauen. Natürlich fängt man als Mann dann an, ein wenig zu posen. Und natürlich fliegt man dann sowas von auf die Schnauze……

Ich habe auf meinem Rechner eine recht ansehnliche Zahl von Songs. Zur Zeit etwa 55GB. Ja, alle legal. Und großspurig sagte ich den Mädels, sie sollen sich mal ihren Lieblingssong wünschen und den würden wir dann mal zum Vergleich der Boxen hören. Die nannten mir dann reihenweise Interpreten, von denen ich noch nicht mal ansatzweise gehört hatte. Nach dem fünften oder sechsten Vorschlag fragten sie dann mitleidig, was ich denn als alter Mann so anzubieten hätte. Zu ärgerlich. :-)