schön gelauscht

Jetzt also ein etwas ausführlicherer Bericht von der LauschLounge in der Hauptkirche St. Katharinen. Grundsätzlich ist die LauschLounge eine Veranstaltungsreihe, bei der neue Künstler und etablierte Künstler mit neuen Projekten auftreten, um sich in kleinem Rahmen ausprobieren zu können. Die Konzerte sind in unterschiedlichen Locations und passend zum Ort werden dann die Künstler ausgesucht. In einer Kirche wie St. Katharinen beispielsweise gibt es keine Formation mit Schlagzeug, weil die Nachhallzeit dort sehr lang ist. Links seht Ihr Michey Reincke, einer der beiden Initiatoren der Lounge, bei seiner Begrüßungsmoderation; er führt immer durch den Abend. Rechts ist Pastor Frank Engelbrecht zu sehen, der Gastgeber des Abends.

San Glaser machte mit ihrem jazzigsouligen Set den Anfang. Ich mag ihre Art zu singen sehr und so kam direkt zu Beginn eine gemütliche barlauschige Stimmung auf, zu der auch hervorragend das Ploppen der Flens – Flaschen paßte, die im Seitenschiff der Kirche verkauft wurden. Wenn ein Abend so startet, dann kann eigentlich kaum noch was schiefgehen.

Valeska Steiner ist eine in Hamburg lebende Züricherin Zürcherin mit einem so schmalen Gesicht, daß man sie hinter dem Mikro kaum photographieren kann. Dafür ist ihre Stimme umso größer. Ich war echt überrascht: Valeska ist noch recht jung, schreibt aber richtig gute Stücke und trägt sie sehr schön vor. Dabei trägt ihre Stimme von ganz leise (so leise, daß ich mich nicht traute, auf den Auslöser zu drücken) bis überzeugend laut. Sie ist gerade dabei, ihre erste ganze CD aufzunehmen (eine EP gibt es schon) und ich bin sehr gespannt. Wenn die auch nur halb so gut wird wie der Auftritt, dann ist sie klasse.

Tobi Tadday hatte sicher ein Problem: die Akustik der Kirche zwang ihn, seine Stücke kleiner und leiser zu arrangieren, als er das bei seinen Aufnahmen tat. Und während mir seine Songs auf MySpace gut gefallen, war er in der Lounge der schwächste Part; der Auftritt riß (zumindest mal mich) nicht mit. Die Konkurrenz war aber auch hart.

Astrid North begeisterte mich so sehr, daß ich ja direkt nachts noch kurz darüber schreiben mußte. Hier war es umgekehrt zu Tobi: gerade in den kleinen Möglichkeiten des Venues lag die Chance, Astrids Stimme so scheinen zu lassen, daß sie optimal zur Geltung kam. Dazu kam, daß sie einen sehr entspannten Eindruck machte und sie sich sichtbar wohlfühlte. Auch Astrid produziert gerade ihr Album, das für mich sicher ein „must have“ ist. Es war schon spät, als sie ihr Set begann, aber ab der ersten Sekunde wußte sie das Publikum der knackevollen Kirche zu fesseln; ihren Stil würde ich mal als „Slowsoul“ bezeichnen. Wirklich ein toller, mitreißender, bewegender Auftritt einer begnadeten Künstlerin. Ich habe lange mehr keinen Auftritt gesehen, der mich so begeisterte.

Wie bei jeder LauschLounge bisher gab es also auch dieses Mal neben den bekannten Künstlern (für mich San), auf die ich mich schon im Vorfeld freute, Überraschungen, mit denen ich nicht gerechnet hatte (hier Valeska und Astrid). Genau das ist die Stärke der Lounge und ich kann jedem aus dem Hamburger Raum empfehlen, auch einmal hinzugehen. Außerdem ist die LauschLounge auch hin und wieder im Norden Deutschlands auf Tour. Besucht einfach mal die Seite.

berührt

Heute Abend war ich wie angekündigt bei der LauschLounge und ich bin überwältigt. Eigentlich war ich mir sicher, daß der wunderschöne Abend nicht mehr zu toppen sei. Das glaubte ich so lange, bis als letztes Astrid North zu singen begann. Was für eine Stimme !  Was für eine Ausstrahlung !  Mit einer ganz bescheidenen Selbstverständlichkeit sang sie ihre im wesentlichen ruhigen Stücke und haute mich und auch die anderen Zuschauer einfach um.

Über’s Wochenende werde ich von der ganzen Veranstaltung berichten, aber das mußte ich noch mal ganz schnell loswerden. Und falls irgendein Labelchef mitliest: Astrid ist zur Zeit ohne Vertrag. Das sollte man schleunigst ändern.

Die Sommer – LauschLounge

San Glaser begeisterte mich bei der Lüneburger Premiere der Stefan Gwildis – Tour. Nun ist sie heute Abend im Rahmen der Sommer – LauschLounge zu sehen. Grund genug, dafür Werbung zu machen. Als zweite Dame mit Stimme ist dort Astrid North zu sehen, die einige von Euch vielleicht von den Cultured Pearls, oder aus der Soulounge kennen. Beide Damen werden den Abend sicher zu einem Erlebnis machen.

Ebenfalls zu sehen sein werden Valeska Steiner und Tadday, die ich beide noch nicht kenne, aber deren Internetauftritte auch Gutes versprechen. Da die Erfahrung in der Vergangenheit zeigte, daß es an jedem LauschLounge – Abend eine tolle musikalische Überraschung gibt, freue ich mich darauf, auch Euch heute Abend in St. Katharinen zu sehen. Dort war ich ja nun schon ein paarmal und die Konzerte hatten immer ein ganz besonderes Flair. Außerdem reizt natürlich, mit dem Bier in der Hand in einer Kirche zu sitzen.

Erste Wahl

Ina Müller erzählte vor vier Wochen in ihrer NDR – Sendung Inas Nacht, daß sie ihren Führerschein verloren habe, weil sie die neue Platte von Johannes Oerding hörte. Die sei einfach so mitreißend, daß sie die Geschwindigkeitsbegrenzung komplett übersehen habe. Und sie sei es auch wert, dann jetzt eine Zeit ohne Auto auskommen zu müssen. Nun habe ich die CD gestern gekauft und kann Ina schon ein wenig verstehen; wobei ich ehrlicherweise meinen Lappen dafür nicht riskieren wollte.

Während Donny Hathaway richtigen amerikanischen Soul macht, singt Johannes deutschsprachigen Popsoul. Das macht er sehr gut, die Stimme ist wirklich toll, allerdings finde ich den ein oder anderen Song leicht überproduziert. So gefällt mir beispielsweise die 2007er – Demoversion von „Für die Welt“ einfach besser, als die CD – Version mit dicken Streichern — aber das ist ja auch Geschmacksache. Johannes ist nach Roger Cicero nun der zweite Sänger, der aus der Soulounge – Formation heraus eine gute Solokarriere startet und er hätte es verdient, den selben Erfolg zu haben. Die CD jedenfalls kann ich mit gutem Gewissen empfehlen; auch wenn ich weiter autofahren möchte.

Everything is everything

Vor ein paar Tagen erfüllte mir ein Leser der ungenannt bleiben möchte einen weiteren Wunsch von meinem Wunschzettel. Darüber habe ich mich natürlich sehr gefreut und ich will mich hier ganz herzlich bedanken. Im Briefkasten lag also diese CD von Donny Hathaway. Der Sänger, Pianist und Produzent ist heute in der Allgemeinheit gar nicht mehr so bekannt, was ziemlich schade ist, war er doch ein genialer Mann seiner Zeit, der nicht nur durch wirklich tollen Gesang, sondern auch durch legendäre Wurlitzer – Soli auffiel. Schon vor etwa 20 Jahren empfahl mir mein damaliger Plattendealer (ich war Stammgast in dem inhabergeführten Laden und so konnte ich dort perfekt beraten werden; so etwas gibt es heute leider so faktisch nicht mehr) die Live – LP, die es heute auch als CD gibt. Ich glaube, diese Platte habe ich im Laufe der Jahre so oft gehört, daß ich fast wirklich vor Ort gewesen bin.

Die neue CD nun ist Donnys allererste Veröffentlichung als Solokünstler (er hatte zuvor schon Platten produziert). „The Ghetto“, das Stück, was sein Markenzeichen werden sollte, ist schon drauf. Auf diesem Werk hat die Stimme noch nicht ganz die Strahlkraft der späteren Werke oder gar der beiden Live – Aufnahmen, aber es ist gut zu erkennen, wohin die musikalische Reise gehen wird und darum gefällt mir die CD auch sehr gut. Wie immer ist die Platte ein Mix aus eigenen Songs und genial interpretierten Coverversionen; generell kann man sagen, daß die Coversongs dieses Sängers meist besser sind als die Originale, zumindest aber ebenbürtig. Nie hält er sich an die Originalinterpretation, sondern fühlt die Songs neu und schafft damit ganz eigene Werke.

Wer von Euch Donny Hathaway noch nicht kennt, aber schwarze 70er – Musik mag, dem sei der Künstler auf’s Wärmste empfohlen. Als Einstiegsdroge eignen sich beide Live – CDs sehr gut und danach will man sowieso mehr.

Am Tag, als …

Nein, nicht Conny, aber Ronny Kramer machte also den Opener bei Stefan Gwildis im Stadtpark, hier einmal eine Perspektive aus dem FOH – Tower heraus, bei der man auch Dennis Nähr, den Lichtdesigner Stefans, an seinem Arbeitsplatz sehen kann. Auch sieht man, daß das Rund mittlerweile sehr gut gefüllt ist.

Hinter Ronny verbirgt sich ein bekannter Hamburger Pianist, dessen Namen ich hier nicht nennen darf und der sich an deutschen Versionen von 70er und 80er Hits versuchte. So erfolgreich, daß eine Mehrheit des Publikums stürmisch jubelte. Mir selbst war die Show ehrlicherweise doch ’n Tacken zu sehr aufgetragen — aber das ist ja Geschmackssache.

Wenn man sich mal anschaut, was früher so alles modern war…… so eine Hose käme meinem Bauchansatz bestimmt zugute; als Korsettersatz. Jedenfalls schaffte Ronny durchaus eine gute Stimmung und das ist ja erst mal die Hauptaufgabe eines Supports. Von Stefans Konzert werde ich in den nächsten Tagen berichten; ich habe einfach zu viele Photos gemacht, die ich erst mal aussortieren muß.

Moralistenleben

Die meisten von uns dürften Erich Kästner aus ihrer Kindheit und Jugend kennen. Bücher und Filme wie „Das fliegende Klassenzimmer„, „Emil und die Detektive„, „Das doppelte Lottchen„, oder „Pünktchen und Anton“ sind einem sicher begegnet. Manch einer wird nicht verstehen, daß Kästner zur NS – Zeit Publikatiosverbot hatte, seine Bücher verbrannt wurden; jedenfalls so lange nicht, bis man sich seinen Werken für Erwachsene zuwendet. Der Anfang der 30er in Berlin spielende Roman „Fabian — Die Geschichte eines Moralisten“ ist dann deutlich kein Kinderbuch mehr, es ist eher „ab 18“ und zeichnet ein satirisches Bild der Gesellschaft kurz vor der nationalsozialistischen Diktatur.

Diese Gesellschaftskritik, dieses Beobachten der Entwicklung konnte den späteren Machthabern nicht schmecken und wenn ich ehrlich bin, dann haben Kästners Gedanken gerade in dieser Zeit absolut nichts an Aktualität verloren. Auch wir ergötzen uns an der Beschränktheit anderer. Heute nicht mehr im Varieté, sondern bei DSDS oder Das Supertalent, schön bequem vor der heimischen Glotze. Und auch daß die Allgemeinheit bluten muß für die Fehler der oberen Kasten sehen wir mit den derzeitigen Staatsbürgschaften nur zu genüge.

Fabian ist kein Buch das gefällt. Aber eines, das modern, mit schnellen Schnitten, fast drehbuchartig geschrieben ist und zumindest mich innehalten lies. Eines, daß ich hier zum Lesen empfehlen möchte.

ESC

Der Eurovision Song Contest ist wie jedes Jahr eine aktuelle Leistungsshow der Veranstaltungstechnik und was die Kollegen mit dem P da mit über 80 Trailern auf die Beine gestellt haben, ist wirklich beachtlich (allein die Zollformalitäten…). Dabei waren die Anforderungen in Moskau hoch: Vorbild waren die Eröffnungsfeierlichkeiten der Olympiade in Peking.

Das erste Mal in der Geschichte des ESC wird eine Halle quer bespielt, um mehr Platz für das Bühnenbild zu haben. Das wiederum besteht ausschließlich aus Video; Boden, Seiten und obere Teile sind verfahrbar, Nebel kommt zwischen den Videokacheln aus dem Boden. Alles ist schon richtig, richtig fett.

Ein paar Dinge sind nicht fett: der deutsche Moderator ist 30 Jahre jünger als sein Vorgänger, aber genau so langweilig und konservativ. Das hatte ich mir besser gewünscht und es gibt doch im internationalen Vergleich wirklich spritzige nationale Moderatoren. So etwas muß doch auch in Deutschland möglich sein.

Ansonsten fand ich die Präsentation der einzelnen Songs zu hektisch hintereinander weggespielt; die Jingles zwischendurch waren nichtssagend und die Kameraführung während der Stücke oft einfach unübersichtlich. Letztlich also trotz der gigantischen Technik keine tolle Show, sondern ein Hintereinanderweggespiele. Witzig fand ich auch, daß ein Rhodes die ganze Zeit deutlich sichtbar am Bühnenrand stand, bis es dann für eine Nummer gebraucht wurde. Hatte man es da während der Show einfach vergessen ?

Wirklich richtig gut aber waren Eröffnung und vor allem die Nummer mit den verfahrbaren Wasserbecken in der Abstimmungspause. Das Genehmigungsverfahren in Deutschland hätte ich nicht machen wollen ;-)

Nun kurz meine Meinung zu den einzelnen Songs:

01 Litauen
Nette Nummer, schnell zu vergessen, schön die Flamme in der Hand am Ende.

02 Israel
Langweilig, aber politisch schön. Hilft hier natürlich nicht.

03 Frankreich
Bringt den Abend dahin zurück, wo er herkam: als der Contest noch einen französischen Namen mit Chanson hatte. Keine Show; sie kommt, singt ohne Tänzer und Gedöne und gewinnt Herzen. Ich bin auf die Wertung sehr gespannt. Allein um diese ganzen halbbekleideten Tänzerinnen zu ärgern müßte sie gewinnen.

04 Schweden
Opern – Disko. Und zu langsame Operator an den Kameras, die mit dem Gain nicht mitkommen. Aber singen kann se‘.  Ein Song mit hohem Wiedererkennungswert. Find‘ ich gut, auch wenn ich der tollen Stimme einen weniger diskolastigen Song gewünscht hätte.

05 Kroatien
Hach ist der schön…

06 Portugal
Ein guter Song, um sich mal die Bühne genauer anzuschauen. Fuck, da wurde deutlich geklotzt. Bei Produktionskosten von über 50.000.000,00€ kein Wunder.

07 Island
Schöne Ballade. Mit Windmaschine.

08 Griechenland
Der Sänger sieht ein wenig so aus wie der junge Dieter Bohlen. Und die Musik könnte auch von Bohlen sein. Das ist schon richtig Partymusik.

09 Armenien
Hier kommen sehr unterschiedliche Meinungen auf. Mir gefällt die Nummer nicht, meiner Begleitung zur Rechten gefällt sie. Und es wird wirklich an Nichts gespart: Feuer, Laser, alles da.

10 Rußland
Es dauerte ein wenig, bis ich begriff, daß die Sängerin im Hintergrundvideo während des Songs künstlich alterte. Schön find‘ ich’s nicht.

11 Asserbaijan
Der Song fing eigentlich ganz schön an und endet dann doch beliebig. Nur die Bühne… Ich will auch mal.

12 Bosnien Herzegovina
Hm. Hat schon was von Filmmusik.  Nicht soooooo schlecht.

13 Moldavien
Schmissiger Ethnopop. Insgesamt ist die Veranstaltung doch sehr von östlichen Tönen geprägt. Kein Wunder bei der Teilnehmerliste. Die Nummer gefällt mir richtig gut.

14 Malta
Zum dritten Mal dabei, bitte nicht wieder wählen. Äh… falsche Sendung.

15 Estland
Die Nummer fließt so vor sich hin, aber sagt mir eigentlich nichts.

16 Dänemark
Netter Hausfrauenpop.

17 Deutschland
Die Nummer schwingt ja schon. Aber der Auftritt von Dita war lange nicht so späktakulär, wie vorher gehypt.

18 Türkei
Wieder eine knallige Nummer. Eben Türkpop. Das macht schon gute Laune.

19 Albanien
Spiderman hat für Albanien gestimmt. Wenn Deutschland Dita mitbringen darf, warum dann Albanien nicht diesen Filmhelden. Dem Song fehlt aber die Überzeugung des türkischen Vorgängers.

20 Norwegen
Als Favorit gehandelt, der Refrain ist toll, aber der Rest des Songs geht komplett an mir vorbei.

21 Ukraine
Zu viel !  Weniger wäre hier echt mehr gewesen. Das Ding heißt Song Contest.

22 Rumänien
‚Ne nette Girlbandnummer.

23 England
Die Zeit der Andrew Llody Webber – Musicals ist einfach vorbei.

24 Finland
DJ Bobo alike – Contest.

25 Spanien
Trallalla.

Ich. Verstehe. Es. Nicht !

Norwegen. Hm.

Aber auch das relativ gute Abschneiden von England geht in meinen Kopf nicht rein. Und der estnische Song, oder der Spiderman aus Albanien waren doch bitte um Klassen schlechter als der deutsche Beitrag.

Im nächsten Jahr sollte man übrigens eine Regel einführen, nach der die tolle, gigantische, unglaubliche Show nicht mehr gerühmt werden darf. Das ist bei der Punktevergabe etwas langweilig.

Deutschland ist übrigens einer der Hauptfinanzierer der Veranstaltung.

Tja. Noch mal: ich verstehe die Wertung nicht. Gar nicht. Island: ja. Akzeptiert. Aber sonst…

Wahrscheinlich habe ich einfach keinen Geschmack.

Nachtrag: was bleibt am Tag danach… Immer noch Unverständnis. Klar, der Junge ist süß und fällt gewissermaßen noch unter den Welpenschutz; das mag eine Rolle gespielt haben. Daß er aber so unglaublich eindeutig gewinnt, verstehe ich nicht. Insgesamt eine Veranstaltung ohne einen falschen Ton, das gab es in der Geschichte des ECS selten und spricht ja für die Qualität der auftretenden Sänger. Insgesamt gab es meiner Meinung nach zu wenig wirklich herausragende Stücke; viel, viel Mainstream. Und auch nur so kann ich mir auch den relativen Webber – Erfolg erklären. Nun denn…

Ehrlicherweise bin ich der Meinung, daß insgesamt zu viel Show und zu wenig Song geboten wurde. Vielleicht sollte man wie früher ein Orchester da hinsetzen und alle müssen vorher ihre Noten einreichen. Gigantomanie ist natürlich für einen Techniker wie mich interessant, aber es kommt eher nicht dem Produkt zugute.

Ich bin sehr gespannt, wie die deutschen Medien jetzt wieder den eigenen Beitrag zerfleischen.

Zeitungszeugen

Seit einigen Wochen schon lese ich die wöchentliche Publikation Zeitungszeugen, die sich mit der Presse im Dritten Reich auseinandersetzt, indem Zeitungen aus der Zeit komplett nachgedruckt und kommentiert werden. Das Projekt war in den ersten Wochen juristisch heftig umkämpft. Die Bayrische Staatsregierung, die Nachlaßhüterin Hitlers und der NSDAP ist, sah sowohl urheberrechtlich als auch strafrechlich die Grenzen überschritten. In beiden Punkten sind zwischenzeitlich die höchstinstanzlichen Gerichte zu anderer Auffassung gekommen; zu Recht, wie ich finde.

Worum geht es also genau: in jeder Ausgabe der Zeitungszeugen werden zwei unterschiedliche deutschsprachige Zeitungen in Gänze nachgedruckt. Also nicht nur der politische Teil, sondern auch Kultur und Anzeigen beispielsweise. So kann man sich ein viel besseres Bild über die Stimmung der Zeit machen, als läse man ausschließlich die Texte der Göbbel’schen Hetzschriften. Dabei werden nicht nur NSDAP – nahe Blätter, sondern, so lange es sie noch gab, auch kritische Veröffentlichungen und auch Zeitungen aus dem angrenzenden Ausland wiedergegeben. Gerade die Gegenüberstellung verschiedener Blätter macht die Reihe so interessant. Darüber hinaus gibt es in den Ausgaben noch Nachdrucke von wichtigen Dokumenten oder Plakaten. Es wird versucht, die Atmosphäre der Zeit so gut es geht nachzuzeichnen.

Der Rechtsstreit um die Veröffentlichung von NSDAP – Blättern zeigt aber auch deutlich, daß die Schutzzeiten nach dem Urheberrecht nun deutlich ablaufen; und nur darauf beruht derzeit das Verbot, in Deutschland Werke der nationalsozialistischen Riege zu drucken. Spätestens mit dem 70. Todestag Hitlers Ende April 2015 wird also „Mein Kampf“ nach derzeitigem Recht frei verkäuflich sein, was ich übrigens deutlich begrüße. Nur wer dieses Buch mal selbst gelesen hat wird begreifen, wie klar Hitlers Ziele bereits lange vor der Machtergreifung waren und wie unverständlich und gefährlich die Machtübergabe an ihn war. Die derzeitige Politik der bayrischen Staatsregierung diesbezüglich halte ich übrigens für kurzsichtig und dumm. Brächte sie jetzt eine sauber kommentierte Ausgabe von „Mein Kampf“ und ähnlichen Publikationen auf den Markt, so könnte sie sicher sein, einen historisch haltbaren Standard zu etablieren und die Lesart des Buches mit zu bestimmen. Diese Möglichkeit entgleitet ihr zum 01.05.2015, denn dann ist der Text frei verfügbar und jeder kann damit machen, was immer er will.

Zurück zu den Zeitungszeugen. Nachdem während der Zeit der rechtlichen Auseinandersetzungen die Auswahl an wiedergebbaren Zeitungen begrenzt war, stehen nun wieder alle Zeitungen zur Verfügung; jedenfalls bis in das Jahr 1939 hinein, denn für Zeitungen gilt die Verjährung des Urheberrechts nach 70 Jahren der Veröffentlichung. Es bleibt zu hoffen, daß auf Regierungsseite statt Starrköpfigkeit nun Vernunft siegt und auch die Jahrgänge bis 1945 freigegeben werden. Mir jedenfalls gewährte diese Publikation schon hochinteressante Einblicke in die Stimmung der Zeit, in der meine Eltern geboren wurden und meine Großeltern Erwachsene waren. Sie zeigt mir, wie unterschiedlich und schwer verständlich für uns Heutige die damalige Zeit war.

Aus voller Überzeugung kann ich Euch diese wöchentliche Zeitung empfehlen. Sie liefert hervorragendes Hintergrundwissen. Nicht nur durch die Reproduktion von Zeitungen, sondern auch durch die beigelegten Dokumente, sowie die Kommentare und Erläuterungen, die die Nachdrucke umschließen.