Gestern Abend gab es die angekündigte Lausch Lounge im erst am Samstag wieder neu eröffneten Hamburger Mariendom. Diese Kirche war für die Lounge eine in mehrfacher Hinsicht außergewöhnliche Location. Zwar hatte es schon lauschige Abende in der Katharinenkirche gegeben, der Dom ist aber doch deutlich anders. Sehr schön ganz frisch renoviert; mit heller, klarer Beleuchtung (das Licht auf dem Photo ist gewissermaßen mitgebrachtes Showlicht) und edlem Steinboden. Im Dom ist’s deutlich vornehmer als in der Kirche. Und dann sind die Evangelen doch … flexibler … als die Katholen: gestern gab es weder Speis‘ noch Trank. Was ich eigentlich etwas schade fand, lauscht es sich doch gemütlicher mit einem Getränk in der Hand. Einige hatten das wohl schon kommen sehen und so machten heimlich Tupperdosen die Runde, was auch lustig war.
Ansonsten war der Empfang aber herzlich und die Atmosphäre wirklich schön, so daß man über ein da capo bestimmt einmal nachdenken kann. Toll war auch, daß die Zuschauer im Gegensatz zu den üblichen Lounge – Abenden in Clubs durch die Gemeinde eingeladen waren, der Eintritt war frei.
Den Opener des Abends machte Graziella Schazad, eine Künstlerin, die ich bisher noch nicht kannte, obwohl sie tatsächlich schon durch die harte Schule Stefan Raabs ging. Die Musik und gerade der Gesang gefielen mir sehr. Graziella hat eine sehr gute, ausdrucksstarke Stimme. Etwas irritierten mich allerdings doch ihre Ansagen: sie muß aus einer sehr dramatischen Familie stammen, kann man zusammenfassend sagen. Die Sängerin paßte durch ihren samplergestützten Soloauftritt perfekt ins Ambiente und in die sehr hallige Akustik. Durch die sehr sparsam arrangierten Songs gab es einen klaren, durchdringenden Sound, der durch die Kirchenakustik gestützt wurde.
Johannes Oerding folgte als zweites und entgegen den Auftritten, die ich bisher sah, gefiel es mit gestern nicht ganz so gut. Zum einen waren es meiner Meinung nach für die Kirchenaktustik zu viele Instrumente; nach dem sehr klaren Sound Graziellas war es doch etwas matschig. Zum anderen war die Setliste zu viel in Moll; nach dem recht ruhigen ersten Set hätte ich mir als zweites dann doch etwas mehr Drive gewünscht. Nichtsdestotzotz schmolzen die Damen dahin und das ist ja auch etwas.
Nach der Pause enterte dann Timo Breker den Altarraum. Michy Reincke, der den Abend wie immer moderierte, kündigte ihn an als Sänger mit einer leisen, kraftvollen Stimme, die ihm die Gänsehaut über den Arm treibe. Nun. Geschmäcker sind ja verschieden. Ich fand den Gesang deutlich zu nuschelig, verstand kein Wort. Die Musik war ganz ok., aber ein bißchen mehr Kraft wäre echt schön gewesen. Für mich war Timo der schwächste Künstler des Abends.
Und dann ging die Sonne auf. Man kann Anna Depenbusch ja nicht nachsagen, daß sie knallige, laute Musik mache. Sie war im Gegenteil ganz sparsam. Aber Anna spielte mit ihrer Stimme, dem Mikro und der umwerfenden Akustik des Raums; war auch gut zu hören, wenn das Mikrophon mal zwei Meter weg stand von ihr. Sie war nicht dramatisch, smart oder cool, sondern einfach sie selbst und sie sang mit sichtbarer Freude. Das war es, was ich bei den vorangegangenen Künstlern so vermißt hatte: Feuer. Und so nahm der Abend noch ein gutes Ende.
Zum Abschluß des Abends noch ein Gebet des Erzbischofs; kurz, weltoffen und herzlich. Man war ihm anzusehen, daß er sich über seinen frischrenovierten Dom, die Musiker im Altarraum und die volle Kirche freute.