Im Urlaub hat man ja viel Zeit. In einer Husumer Buchhandlung stolperte ich über das Buch von Rochus Misch „Der letzte Zeuge“ und so las ich das Tagebuch eines der Menschen, die bis ganz zuletzt im Führerbunker Adold Hitlers aushielten. Der Bericht ist erstaunlich sachlich, hält sich recht hart an Fakten, schildert aber auch den ganz banalen Alltag im Führerhauptquartier.
Durch Eichingers Film „Der Untergang“ kennt man die Schilderungen Traudl Junges der letzten Tage im Bunker. Ihr Buch „Bis zur letzten Stunde“ las ich direkt im Anschluß. Zum einen, weil ich eben den Film kannte, zum anderen, weil Rochus Misch dieses Buch in seinem ausdrücklich erwähnt und anhand der Bunkerbauzeichnung und anderer Fakten zeigt, daß Traudl Junges Bericht zumindest in Teilen nicht ganz der Wahrheit entsprechen kann.
Für mich auffällig ist an beiden Büchern erst einmal, daß beide Autoren nicht Mitglied der NSDAP waren. Ich war ganz selbstverständlich davon ausgegangen, daß dies eine Grundvoraussetzung dafür war, um sich so dicht an Hitler bewegen zu können. Für mich auch interessant ist, daß beide Autoren davon berichten, wie naiv und unkritisch sie die Diktatur Hitlers als junge Erwachsene beurteilten. Während Misch vielleicht auch durch seine Kindheit als Vollwaise stets darauf bedacht war, „keinen Ärger“ zu machen und gewissermaßen nur zufällig bis in die höchsten Kreise des Reichs schlitterte, bewarb sich Junge ganz bewußt in die Reichskanzlei.
Auch wenn beide Bücher die selbe Zeit, die selben Ereignisse beschreiben, so sind sie doch äußerst unterschiedlich. Junge schrieb ihre Erinnerungen 1947 als 27-jährige; das Mädchen, das gerade in der Anfangszeit aufgeregt plappernd schreibt, ist deutlich zu spüren. Misch brachte seine Erinnerungen erst in den vergangenen anderthalb Jahren zu Papier, weil er merkte, daß das Interesse an der Zeit zunimmt, die Zeugen aber naturgemäß abnehmen. Dabei ist erstaunlich, wie präzise seine Schilderungen immer noch sind.
Ich selbst kann von Art und Tonfall mit dem Buch „Der letzte Zeuge“ mehr anfangen, als mit „Bis zur letzten Stunde“. Vielleicht, weil es mir dann doch zu voyeuristisch vorkommt, wenn die verschiedenen Kleider Eva Brauns diskutiert werden. Nebenher eine Persönlichkeit, die beide Autoren schwer beeindruckte. Es ist interessant zu lesen, wie profan letztlich das Leben Hitlers war, wie sehr er seine enge Umgebung täuschen konnte, wie sehr die Umgebung getäuscht werden wollte und wie sehr er überschätzt wurde.