Gastbeitrag: Ab in die Kiste !


In Augsburg kann man noch bis zum 9. November seine ganz persönlichen Stars aus der Puppenkiste besuchen. Zum 60-jährigen Jubiläum der Puppenkiste gibt es eine Sonderausstellung in der die berühmtesten Puppen aus verschiedenen Aufführungen und aus dem Fernsehen zu sehen sind. Da ich zu der Generation gehöre, die zum Abendessen mit Gouda-Nutellabroten, der Biene Maja, Wickie, Captain Future und den Sendungen der Augsburger Puppenkiste ernährt worden ist, habe ich aus Anhänglichkeit den Puppenkisten-Newsletter abboniert und daher von der Ausstellung erfahren. Da mein Kind ähnlich ernährt wurde, standen wir alsbald auf dem Speicher des alten Heilig-Geist-Spitals, in dem die Puppenkiste seit 1948 ihre Vorstellungen gibt. Und los. Das Kind setzt sich sofort vor einen Bildschirm und sieht sich Jim Knopf an, den sie auf DVD zuhause mindestens 500 mal gesehen hat. Auch gut. Dann habe ich Ruhe.

Die Figuren in Schaukästen und in ihren Kulissen … aha, schön, schön … ja,  so unbeweglich sind sie schnell fertig betrachtet. Also mal lesen was denn da noch so alles steht … aha, in den 50-ern ging die junge Puppenkiste auf Deutschlandtournee. Sie hüppelten von Kaff zu Kaff, von Turnhalle zu Gemeindesaal. Einmal schaffte es der Bus nicht die Berge hoch, da haben sie auf einen Ochsenkarren umgeladen. Das muss ich gleich Markus erzählen. Ich stelle mir vor: Annett Louisan auf Tour mit Ochsenkarren und Markus als TL  brüllt sich am Berg die Seele aus dem Leib und schwingt die Peitsche, aber die Ochsen schert es nicht … hihi. Zurück zur Ausstellung. Nun, wo ist der Puppenkistenzauber ?  Eine Gruppe Schüler taucht auf, sie bleiben vor der Insel Lummerland stehen, auf der Emma nach Fahrplan alle 20 Minuten ihre Runden dreht. Sofort reißen sie beide Hände hoch — mit ihren Digicams benehmen sie sich wie Paparazzi — und blitzen Emma ab, bevor sie überhaupt hingesehen haben.  So ist das Leben als Star. Aber Hallooooo… ?  Wo ist hier der Zauber ?  Ein Mann, ein Herr, nicht mehr ganz jung, führt die Gruppe. Er sagt: „hier ist das und hier ist das und hier ist das … Wer kennt diese hier ?“ Meine vom Fernsehen wieder auferstandene Tochter ruft: „Das ist die Katze mit Hut !“ „Ah“ sagt der Mann, „das ist schön. Die meisten Kinder kennen ja nur noch den Jim Knopf und vielllllleicht noch das Urmel.“ In diesem Moment halte ich meine Erziehung doch für gelungen und lächele selbstgefällig in mich hinein.

Puh, denke ich mir. Nun haben wir schon alles gesehen, u.a. die Figuren der Frau Holle, den Kater Mikesch, die Wutz, den Kalle Wirsch, das Kalte Herz, den kleinen Prinz,  fertige und unfertige Holzköppe und ich war gar nicht berührt. Wie schade. Bin halt kein Kind mehr. Komm Tochter, wir gehen einen Braten essen.

Da kommt plötzlich eine kleine lila Gestalt mit dreieckigem Hut an 10 Fäden angewackelt. Sie ist sofort umringt, denn sie plaudert fröhlich und ist sehr zutraulich. Zu welchem Stück gehört sie? Ich weiß es. Der Traumkobold aus dem Urmel. Der nicht mehr ganz junge Mann erklärt, an welchen Strippen man ziehen muß, um Bewegung in die Puppe zu bringen. Ungern gibt er sie aus der Hand. Zwei Kinder dürfen mal kurz Puppenführer sein, das Mädel macht es ganz gut. Ja, guck, er läuft, ja, so musst du es machen, die Füßchen müssen ganz auf den Boden sonst sieht es nichts aus, ja, so ist es gut. … Aber, schwupps, hat der nicht mehr ganz junge Mann die Fäden selbst in den Händen, man merkt deutlich, dass es ihm so am liebsten ist. Unter seinen Händen fängt die kleine Puppe wieder an, ein kecker Kobold  zu werden und sich fremden Leuten aufs Knie zu setzten. Und da war er dann doch noch, der Puppenkistenzauber, in dem liebevollen Blick des nicht mehr ganz jungen Mannes auf seine Puppe und in der Art wie die Puppe in meinen Augen anfing lebendig zu werden und wie ich anfing, kindisch mit der Puppe zu werden. Alles Freaks da. Nicht mehr ganz Junge.

Sicherlich zauberhafte Vorführungen finden (bis auf Montags) 2-mal täglich statt.  Spielplan unter www.diekiste.net

Wir haben bei unserem Besuch leider genau die Sommerpause erwischt und konnten uns keine Aufführung ansehen. Sehr schade. Aber das wird nochmal klappen.

Text und Bilder: Annette Prüfer

Wir zünden die Nacht an

„Der Sänger der Sänger und Musiker der Musiker“ sagt Fritz Rau über ihn und wenn man sich anschaut, mit wem er schon alles gearbeitet, wen er schon alles produziert hat in den letzten … 35 (?) Jahren, dann mag man Fritz wohl Recht geben. Neben dem war Edo Zanki (Wikipedia, MySpace) aber auch immer selbst als Musiker und Sänger aktiv. Seit kurzem hat er nun seine zwölfte CD fertig: …alles was zählt.

Das Schöne ist, daß Edo Zanki nichts mehr beweisen muß, daß er unabhängig ist von den Spielchen in unserer Branche und das merkt man seiner CD sehr positiv an. Nicht nur, daß er in „Sag kein Wort“ sehr gekonnt über die alleswissenden Manager im Musikbusiness lästert; man hört auch, daß Edo sich noch mehr zurücklehnt beim singen, noch mehr seine Seele zeigt. Daß die Stimme dabei älter, etwas brüchiger, geworden ist, tut dem Ergebnis keinen Abbruch.

Edo war einer der ersten, die sich vor vielen Jahren am deutschsprachigem Soul versuchten, die ihn geprägt haben, die dann nicht stehengeblieben sind. Dabei hat er sich seinen eigenen, unverkennbaren Stil erhalten. Bisher hatte ich acht CDs von ihm, dies ist nun meine neunte (mehr Platten habe ich nur von Johnny Cash) und ich bin mir sicher, daß ich sie auch langfristig so gern hören werde, wie die bisherigen Scheiben. Besonders gefällt mir mit „Nimm mich mit auf die Reise“ ein treibender, orientalisch angehauchter Song. Aber auch die schon ein wenig typischen Stücke „Wenn ich fall'“ und „Heimkommen“ treffen neben „Wir zünden die Nacht an“ sehr meinen Geschmack.

Von mir eine ganz klare Kaufempfehlung für alle, die soulige, deutsche Popmusik mögen.

Tatort

Der Tatort ist immer noch ein echter Sonntags – Klassiker — auch bei jüngeren Menschen und nicht nur bei so alten Säcken wie mich. Nach den Erfolgen der PublicViewings in den Fußballwochen scheinen findige Kneipiers nun auf die Idee gekommen zu sein, auch den sonnabendlichen Krimi gemeinsam schauen zu lassen und dazu Bier & Häppchen zu servieren. Jedenfalls gibt es im Hamburger Haus 73 den Tatort Klub. Schöne Idee. Wenn dann auch noch der Film nicht so fürchterlich künstlich konstruiert wie der heutige ist, wird es bestimmt ein perfekter Abend; aber das kann man ja dem Wirt nicht zum Vorwurf machen.

Multimar Tönning

Freitags besuchte ich auch noch das Multimar Wattforum in Tönning. Es ist als Meeresmuseum rund um das Wattenmeer gedacht und hinterläßt bei mir aber einen zwispältigen Eindruck. Erst mal ist es durchaus schon liebevoll gemacht, es gibt viele, gut aufbereitete Erklärungen, es ist offen und schön gebaut, die Aquarien sehen gut aus. Von daher ist es einen Besuch wert.

Bestimmt ist der Besuch auch in 45 Wochen im Jahr sehr schön. Bei unserem Besuch am Freitag jedoch war es unglaublich voll. Vor allem die vielen wild in der Gegend herumkreischenden Kinder machen dann den Aufenthalt für einen latenten Kinderhasser wie mich zu einer echten Prüfung. Es gab kaum Möglichkeit, sich wirklich etwas in Ruhe anzuschauen. Das fand ich schon sehr schade. Darüber hinaus wurden die Becken teilweise mit Lebewesen jenseits der Nordsee aufgepeppt. So machen sich beispielsweise Seepferdchen für Kinder bestimmt total toll, aber sie kommen nun mal im Wattenmeer nicht vor. Da das Museum aber das Leben im Wattenmeer näherbringen will, sollte man zumindest erwähnen, daß diese Tiere hier eigentlich nicht hingehören.

Was hier wie ein klassisches Gespenst aussieht ist nicht HuiBuh, sondern ein kleiner Rochen von unten. Auch sehr interessant (aber leider schlecht für mich zu photographieren) war ein Pottwal, der vor Jahren gestrandet war und der nun präpariert zu bewundern ist. Gerade dieser Bereich rund um Meeressäuger war wirklich schön gemacht, litt aber eben auch unter den vielen Menschen.

Diese zwei „Herren“ erinnerten mich sehr an Waldorf und Statler. Und bevor ich hier wie diese noch weiter herummäkle empfehle ich einfach, das Multimar entweder außerhalb der Hauptsaison, oder aber an einem sonnigen Tag zu besuchen. Dann macht ein Besuch bestimmt Spaß.

Burning down the house

Wer glaubt, zu dritt und nur mit Sousaphon, Althorn, Gitarre und Gesang könne man keinen mitreißenden Funk spielen, der hatte noch nicht das Glück, Norma Bek live zu sehen/hören. Gestern erlebte die Hasenschaukel auf jeden Fall einen funky Abend, der nur ungerne durch einen Curfew beendet wurde.

Das Trio versteht es unglaublich gut, bekannte und eigene Nummern so zu arrangieren, daß die treibende Essenz des Stückes voll zur Geltung kommt und man ein Schlagzeug beispielsweise nie vermißt. Dabei kann diese Band ihre Flexibilität voll ausspielen: Auftritte sind mit umgehängtem Batteriegitarrenverstärker und Megaphon als mobile Eingreifheiztruppe genau so möglich, wie voll verstärkte Shows auf großen Bühnen. Am gestrigen Abend kam der Spaß der Combo auf jeden Fall voll beim Publikum an und ich freue mich schon sehr auf weitere Aktionen.

NewOrleans – Marchingband beeinflußter Kammerfunk

So nennt sich die Musikrichtung, die die Band Norma Bek spielt. Und weil darin wie berichtet der unglaubliche Rainer Süßmilch eine tragende Rolle spielt, muß das Ergebnis einfach gut sein. Immerhin so gut, daß ich Euch den Besuch des Konzerts am Freitag (01.08.2008) ab 21:00 Uhr in der Hasenschaukel wärmstens … nein, bei dem Wetter nicht noch wärmer. Also … besonders ans Herz legen möchte.

Kultur im Park

Nach dem Unterwäschen – Kulturschock tat echte Kultur richtig gut. Zumal wenn sie so gekonnt dargeboten wird, wie von den Elfen im Park. Dieses alternative Theaterensemble spielt nicht in einem Theater, sondern im Sommer auf dem Mittelplatz des wunderschönen Wohlersparks zwischen St. Pauli und Altona. Was bei so angenehmem Wetter wie gestern ein echter Genuß ist.

Gezeigt wird in diesem Jahr das Stück Verlorene Liebesmüh von William Shakespeare in einer zugegebenerweise etwas …… nennen wir’s „aktualisierten Fassung für Straßentheater“. Was dem Stück aber deutlich keinen Abbruch tut.

Wer bei OpenAir – Theater jetzt an lange ausverkaufte Vorstellungen, Stühle und vornehmes Ambiente denkt, liegt hier völlig daneben: der Abend ist ein gemütliches Picknick auf mitgebrachten Decken mit hoffentlich gut gefüllten Körben. Das Publikum hockt und steht rund um die Spielfläche, einzig das begleitende Trio aus Schlagzeug, Saxophon und Bratsche steht improvisiert überdacht. Auch gibt es keine Umzäunung oder gar Eintritt; in bester Straßentheatertradition zahlt jeder am Ende so viel, wie er kann und will. Dabei wird durchaus eine komplette Inszenierung mit guten Schauspielern geboten.

Wer sich diesen vergnüglichen Abend auch noch gönnen möchte, der hat noch bis Sonntag und dann am 31.07., 01. – 03.08. und 07. – 10.08. die Gelegenheit dazu. Park und Ensemble sind auf jeden Fall einen Besuch wert.

M A C E O !

Maceo Parker in der Fabrik Hamburg

Es gibt einige Künstler, die die Fabrik immer wieder zum Kochen bringen und dazu gehört sicher auch Maceo Parker. Normalerweise kann man dort regelmäßig im Herbst mit ihm und seiner Band rechnen; oft drei, vier Tage hintereinander. Dieses Mal kam er in Begleitung der WDR BigBand und nicht ausschließlich eigenen Stücken.

Das erste Set war Ray Charles und seinen Klassikern gewidmet und sorgte für einige Stücke, die man so von Maceo noch nicht gehört hatte. Im zweiten Set gab es allerdings wieder die gewohnten two percent Jazz and 98 percent funky stuff. Die WDR BigBand hatte in der Fabrik bisher nicht gespielt und so wunderten sich die Musiker über die sehr dichte Atmospäre und das Publikum in 360° um die Bühne.

Ich selbst war ein wenig hin und her gerissen. Auf der einen Seite klang Maceos Musik im Bett einer BigBand wirklich fett und auch die Solisten waren allesamt Gold. Auf der anderen Seite merkte man manchmal eben doch, daß die Stücke durcharrangiert waren und die gewisse Spontanität fehlte, auf Fingerschnippen noch mal eine Runde zu drehen. Unter’m Strich war der Abend aber auf jeden Fall gelungen und ein großer Spaß.

Schweißtreibend war es jedenfalls nicht nur für Maceo, sondern auch für uns im Publikum; schließlich ist „Shake everything you’ve got“ nicht nur einfach ein Song, sondern auch eine ganz klare Aufforderung, der alle nur allzu bereit nachkamen. Nach knapp zwei Stunden war die Party zuende und leider halfen da über zehnminütige „Maceo, Maceo !“ – Rufe gegen Saallicht und CD – Musik auch nichts. Da muß man sich halt auf den nächsten Termin freuen.

Blow your horn

Morgen spielt Maceo Parker (Wikipedia) in der Fabrik und es gibt tatsächlich noch Karten. Unfaßbar. Ich sah den Saxophonisten, der den Sound von James Brown und George Clinton mit prägte, vor rund 20 Jahren in Köln und es war eines der besten Konzerte, die ich je sah (und von dem es sogar eine LiveCD gibt: Life on Planet Groove). Ich bin mir bei diesem Mann sicher, daß es ein legendärer Abend wird und lege Euch den Besuch ans Herz.