ESC – Juryfinale

Heute Abend läuft das große ESC – Finale in Düsseldorf. Mein Lieblingstöchterlein war gestern Abend schon beim Juryfinale, also gewissermaßen bei der öffentlichen Generalprobe, bei der auch schon die Jurys aus den Ländern ihre noch hochgeheimen Punkte abgeben. Ihren Bericht lest Ihr hier:

Während das eigentliche Finale des Grand Prix d’Eurovision de la Chanson Eurovision Song Contests erst heute Abend stattfindet, waren wir gestern Abend bereits dabei, als in der Düsseldorfer Arena das Jury-Finale ausgetragen wurde. Der Ablauf ist hier eins zu eins derselbe wie im richtigen Finale und die jeweils fünfköpfigen Jurys der 43 teilnehmenden Länder verteilen bei dieser Veranstaltung vorab ihre Punkte, die zu 50% in die Endwertung einfließen.

Bereits am letzten Wochenende waren wir an der Arena, um uns alles einmal anzusehen. Als Normalsterbliche blieb uns natürlich nichts Anderes übrig, als im großen Bogen um das Gelände herum zu laufen, ein paar Eindrücke konnten wir dennoch einfangen.

So standen zum Einen auf einem großen Parkplatz die Busse aller Delegationen beisammen, die zu diesem Zeitpunkt gerade in der Arena beschäftigt waren, und zum Anderen ging es uns vor allem darum, einen Blick auf das aufblasbare Ersatzstadion der Fortuna Düsseldorf zu werfen. Da die Fortuna normalerweise in der Arena selbst ihre Spiele austrägt und die Saison erst an diesem Wochenende beendet ist, musste ein Ersatz geschaffen werden, in dem die drei noch ausstehenden Heimspiele (Alles Siege – Juchu!) stattfinden konnten. Also wurde kurzerhand eine Stahlkonstruktion auf der Fläche neben der Arena errichtet, auf der sich normalerweise zwei Fußballplätze für die Spiele der Jugendmannschaften etc. befinden. Rindenmulch drüber, Stahlgerüst mit Platz für 20.000 Zuschauer bauen, Flutlichtstrahler hinstellen, Rasen rein, fertig ist das Stadion. Um den Fußballersatztempel auch noch weiterhin nutzen zu können und das Geld hierfür nicht vollkommen aus dem Fenster zu werfen, erwirbt die Deutsche Fußball Liga das mobile Stadion mit Ablauf der Saison und ist so in der Lage, es auch in anderen Städten einzusetzen, wenn Umbaumaßnahmen oder sonstige Veranstaltungen in den einzelnen Stadien stattfinden.

Aber zurück zum eigentlichen Thema.

Ich war vorher noch nie in der Arena, um die Fortuna anzufeuern, kannte die Abläufe dort also nicht und war begeistert, wie reibungslos alles vonstatten ging. Trotz der großen Menschenmengen keine langen Schlangen, keine Warterei – noch nicht einmal vor der Damentoilette… In der Halle selbst dann natürlich Gigantismus pur. Groß, größer, ESC. Ich habe von solchen Dingen ja, im Gegensatz zu den meisten Lesern dieses Blogs, keine Ahnung von Technik und all‘ dem, was dazu gehört, aber was dort zu sehen war, war schon wirklich „fett“, um es mal ganz platt auszudrücken. Meine Kamera ist leider uralt und taugt ohne Blitz wirklich rein gar nichts, weshalb die Bilder eher mäßig sind, aber das Innere der Arena ist ja auch bereits aus den beiden Halbfinals bekannt.

Ein kleines und überschaubares Mischpult durfte natürlich auch nicht fehlen:

Diese ganzen LED-Anlagen, die plattentellerartige Bühne, die beleuchteten Wege, die zur Bühne selbst führen, die weiße Einfassung der niedlichen 60 x 18 m LED-Wand zusammen mit den beiden Bühnen, die in das Publikum hineinzulaufen scheint, das alles ist schon wirklich beeindruckend. Was im Fernsehen als kleine, unter der Decke hängende Plasmabildschirme herüberkommt, sind riesige Leinwände, auf denen man auch im Oberrang Nahaufnahmen gezeigt bekommt. Noch weiter oben und auf den Fotos nicht sichtbar, befinden sich weitere Bildschirme, auf denen für die Zuschauer das jeweils aktuelle Fernsehbild zu sehen ist. Direkt hinter uns, genau gegenüber der Bühne, wurden eigens für diese Veranstaltung die Kommentatorenkabinen errichtet. Hier wird auch Peter Urban heute Abend seinen Platz einnehmen und mit seiner unverwechselbaren Stimme das Gesehene kommentieren und uns mit zusätzlichen Informationen versorgen.

Insgesamt finde ich die Gestaltung der Halle wirklich gigantisch, ohne sich als Zuschauer darin verloren vorzukommen. Man ist trotzdem Teil des Ganzen und auch hinten auf den „billigen Plätzen“ mittendrin, statt nur dabei.

Vor der Show hampelte Steven Gätjen noch mit einem Kamerateam auf der Bühne herum, von der Show selbst habe ich keine Fotos.

Ich gehöre normalerweise auch zu den Menschen, die ganz gerne den Anfang einer Sendung verpassen und gerade bei Shows mit Vorgeplänkel schalte ich oft bewusst erst später ein. Wer von euch heute Abend den ESC sehen möchte, sollte diesen Fehler allerdings nicht machen, denn der Anfang ist sicherlich das Highlight der gesamten Show und absolut sehenswert. Mehr wird nicht verraten, damit auch noch etwas Neues und Überraschendes bleibt, nachdem die einzelnen Beiträge ja – zumindest für diejenigen, die sich auch die Halbfinals angesehen und fleißig das DUSlog gelesen haben – bereits bekannt sind. Nachdem ich anfangs eher kritisch war, finde ich das Moderatorengespann inzwischen auch wirklich gut und mein Begleiter freute sich sehr darüber, die heißgeliebte Frau Rakers einmal „hautnah“ zu erleben… ;-)

Zu den Beiträgen selbst muss ich sagen, dass in meinen Augen für ESC-Verhältnisse extrem viele gute Lieder im Finale sind. Bei den Halbfinals hatten wir uns jeweils nur zweimal vertippt, wer denn nun weiterkommen wird. Ich hätte Norwegen und Bulgarien gerne noch im Finale gesehen und zum Beispiel auf Slowenien und Rumänien ganz gut verzichten können. Beiträge, die ich selbst gut finde, sind folgende: Irland, Frankreich, Österreich, Schweiz, Island, Moldawien, Bosnien-Herzegowina, Georgien (wobei das Kleid hier wirklich gar nicht geht), Serbien, Finnland und natürlich Deutschland, alleine schon, weil es halt unser eigener Beitrag ist. Spanien und Italien fand ich auch noch ganz in Ordnung. Manche Beiträge decken sich hierbei auch noch mit dem Geschmack der Halle, in einigen Punkten unterschieden sich die Meinungen jedoch auch wirklich deutlich. Während ich den Boygroups aus Russland und England dem Vereinigten Königreich wirklich gar nichts abgewinnen konnte und auch das schwedische Lied ziemlich schrecklich finde, das vom Stil her ebenfalls in diese Musiksparte fällt, tobte hier der ganze Saal und war außer Rand und Band. Ähnliches war bei Estland, Dänemark (das Lied hätte gut werden können, wäre es doppelt so schnell und rockiger geworden), Aserbaidschan und vor allem auch bei Ungarn zu beobachten. Jetzt war am gestrigen Abend zwar vor allem deutsches Publikum vertreten, das natürlich keinen Querschnitt durch den europäischen Geschmack darstellt, es wurde aber deutlich, dass vor allem Beiträge richtig gut ankamen, denen ich jetzt nicht sonderlich viel abgewinnen konnte. Allerdings muss ich zugeben, dass vorort auch manche Lieder ganz passabel klangen, die ich Dienstag und Donnerstag im heimischen Wohnzimmer noch wirklich fürchterlich fand. Solche Beiträge live zu erleben, den Bass zu spüren und das Licht zu sehen, ist halt wirklich einfach was Anderes, als vor der Mattscheibe zu sitzen.

Ich finde es wirklich schwierig, mich auf einen Sieger festzulegen, da ich von meinem Geschmack nicht auf die Masse und schon gar nicht auf „den Europäer“ schließen kann. Allerdings sehe ich Irland und Aserbaidschan ziemlich weit vorne. Ich denke, einer von den Beiden könnte es machen, bin aber dennoch weit davon entfernt, mich wirklich festzulegen. Dafür sind einfach zu viele starke Beiträge dabei. Finnland finde ich persönlich auch gut, seitdem ich in einem Interview mit Stefan Niggemeier (circa ab 07:16) gesehen habe, dass der Sänger sein Lied durchaus ironisch und sarkastisch meint, bin mir aber nicht sicher, ob er sich damit durchsetzen kann. Wenn, dann wäre es quasi „Ein bisschen Frieden“ Teil 2.

Wer auf jeden Fall den ersten Platz verdient hat, ist der Mann/das Team, der/das hinter der LED-Wand steckt. Generell der Bühnenbau und das Licht waren wirklich beeindruckend und toll gemacht. Zum Ton kann ich als Laie nicht so wirklich viel sagen, fand ihn bei ein paar wenigen Liedern aber echt zu laut und unangenehm. Für das geneigte Fachpublikum kann ich auch hier wiederum auf den Beginn der Sendung verweisen. Hier wird in einem 90sekündigen Zeitraffer der Umbau vom Fußballstadion zum Austragungsort des ESCs gezeigt.

Nach den 25 Beiträgen der teilnehmenden Länder und diversen Schnelldurchläufen trat dann wie angekündigt Jan Delay auf, um die Wartezeit gut zu überbücken, wie es in den Halbfinals die Cold Steel Drummers und die Flying Steps taten. Ich war mir vorher nicht sicher, ob Jan so eine gelungene Wahl für ein internationales Publikum ist, da er ja schon eine sehr eigene Stimme hat, aber die Show hat mir wirklich gut gefallen. Etwas schade fand ich es allerdings, dass er kein langes Medley, sondern zwei separate Lieder hintereinander spielt. Ein Lied ohne Unterbrechung hätte ich irgendwie besser gefunden. Aber das ist wirklich Jammern auf hohem Niveau.

Einen weiteren Überraschungseffekt gibt es vor der Punktevergabe durch die einzelnen Länder zu sehen. Es lohnt sich also durchaus, dranzubleiben. Tatsächlich wurde gestern auch die Punktevergabe durch die aus den einzelnen Ländern zugeschalteten Moderatoren durchgezogen – natürlich mit ausgedachter Verteilung der Punkte. Was am Finalabend durchaus spannend sein kann, ist natürlich totlangweilig, wenn es um nichts geht. Trotzdem haben wir tapfer alle 43 Länder durchgehalten. Dem gestrigen Abend nach zu urteilen, wäre das Ergebnis folgendermaßen ausgegangen:

Hierbei handelt es sich natürlich um rein fiktive Zahlen. Ich bin wirklich gespannt, wie es heute Abend dann nun tatsächlich ausgehen wird und freue mich schon darauf, die Show noch einmal zu sehen. Es hat wirklich großen Spaß gemacht und ich bin froh, mir doch noch eine Karte gekauft zu haben. Wenn der ESC schon in der eigenen Stadt ist und man sich weder Gedanken um die Anreise, noch um ein Hotel machen muss, sollte man sich die Chance nicht entgehen lassen.

Mein Fazit: Egal ob Grand Prix-Fan oder nicht, zumindest den Anfang der Show solltet ihr nicht verpassen und auch danach lohnt sich in meinen Augen die Sendung durchaus.

Handbuch Veranstaltungsrecht

Daß unsere Veranstaltungsbranche nicht mehr der quasi rechtsfreie Raum aus den 80ern ist, hat sich ja allmählich herumgesprochen (gut, vielleicht in Donaueschingen noch nicht). Tatsächlich gibt es mittlerweile eine Menge Gesetze zu beachten, die einem das Leben im Alltag extrem schwer machen können, zumal man ja leider doch noch immer wieder auf die „das machen wir hier schon immer so“ – Fraktion trifft. Im „wirklichen Leben“ sind viele Dinge lange Standard, an die sich bei uns … nun … sagen wir mal … noch nicht jeder hält — und die bei uns bisher auch noch nicht, oder nur sehr selten kontrolliert werden.

In dem kleinen Ort in dem ich aufwuchs gab es einen alten Dorfarzt und der verschrieb bei Schlafstörungen gerne: „Lesen Sie jeden Abend fünf Seiten Bürgerliches Gesetzbuch. Das schadet nicht, macht Sie zu einem besseren Menschen und läßt Sie danach garantiert tief schlafen.“ Aus genau diesem Grund hat keiner von uns wirklich Lust, sich durch dicke Gesetzeswälzer zu arbeiten; es ist also gar nicht so einfach zu wissen und zu verstehen, worauf es bei uns alles ankommt. Einen ganz gut zu lesenden Überblick bietet das Handbuch Veranstaltungsrecht von Christian Kuntze. Es ist ist so umfangreich, daß man einen sehr guten Überblick bekommt, so straff, daß es nicht allzusehr ermüdet und so gut geschrieben, daß es sich auch lesen läßt. Tatsächlich interessiert vielleicht nicht jeden alle Teile des Buches; ich selbst habe beispielsweise den Bereich mit den Künstlerverträgen nur überflogen. Auf der anderen Seite gab es aber auch durchaus Bereiche, die ich mit einem „Ooooops !“ zur Kenntnis nahm.

Für alle, die in verantwortlicher Position in der Veranstaltungsbranche unterwegs sind, ist dieses Buch eine gute Übersicht über den rechtlichen Hintergrund unserer Arbeit, das sich zu lesen lohnt.

Royales Crowd Management

Zugegeben, während ich hier am Rechner sitze und liegengebliebenen Kram wegarbeite, läuft nebenher der Fernseher. Was mir dabei auffällt ist der absolut professionelle Umgang mit den Menschenmassen durch die britische Polizei. Wie geordnet und mit welch durchdachtem System da der große Platz vor dem Palast in relativ kurzer Zeit „geflutet“ wird…… Respekt. Jeder Ansatz von panischer Hysterie, die in solchen Situationen ja schnell aufkommen kann, wurde einfach unmöglich gemacht. Ich bin wirklich begeistert.

Klaus Hoffmann im Torhaus

Heute Abend war ich im Konzert eines Künstlers, den ich schon wirklich ziemlich lange verfolge: Klaus Hoffmann. Meine Schwester schleppte vor geschätzten 30 Jahren die ersten Platten an, das erste Mal sah ich ihn vor 23 Jahren live und erlebte direkt ein legendäres Konzert in der Kölner Philharmonie, bei dem das Publikum am Ende der Show einfach nicht nach Hause wollte und während des schon laufenden Abbaus so lange sitzen blieb und klatschte, bis Hoffmann allein, da das Mischpult mittlerweile abgebaut war auch ohne Verstärkung, am Flügel noch eine letzte Nummer gab. Danach sah ich ihn noch als Brel im Berliner Schillertheater, „Afghana“ lesend im Hamburger Thalia Theater  und bei zwei weiteren Konzerten im Friedrichstadtpalast und in der Musikhalle.

Heute nun spielte er im Torhaus in Hamburg Wellingsbüttel und das ist schon ein deutlicher Kontrast: das Venue faßt vielleicht 160 Leute und ist dadurch wirklich sehr intim. Ich frug mich die ganze Zeit, wie sich denn ein solches Konzert bei moderaten Eintrittspreisen (30,00€, 20,00€ reduziert) finanzieren läßt, wenn man bedenkt, daß neben Hoffmann noch sein Pianist Hawo Bleich, ein Tourbegleiter und zwei Techniker nebst kleiner PA mit am Start waren.

Das Besondere an den Konzerten von Klaus Hoffmann ist, daß sicher 50% des Abends aus Moderation besteht — und im Gegensatz zu manch anderem Künstler nimmt man ihm das nicht übel; ganz im Gegenteil: ich bin mir nicht sicher, ob ich die Moderationen nicht sogar manchmal etwas besser finde :-)  Hoffmann ist auf jeden Fall ein launiger Entertainer. Sowohl seine Lieder — er ist ganz sicher mit dem Begriff „Liedermacher“ gut beschrieben — als auch seine Moderantionen sind emotional, abwechslungsreich und insofern spontan, als daß er auf alles was im Publikum passiert immer und sofort eingeht. Entweder macht die Geschichte einen Schlenker, oder er unterbricht sogar, aber wenn es die Möglichkeit eines verschmitzten Lachers gibt, dann nimmt er sie garantiert mit.

So war auch heute der Abend sehr unterhaltsam und kurzweilig; als das Konzert nach zweieinhalb Stunden zuende ging dachte ich: „wie … schon ?!?“ und sah dann erst erstaunt auf die Uhr. Es kam mir wie nur eine Stunde vor.

Klar, man muß diese Art von Musik mögen, aber mir gefallen die Abende mit Klaus Hoffmann immer wieder und ich kann Euch von daher einen Besuch dort immer empfehlen.

Passagen

In diesen Tagen gehe ich alles mir großer Ruhe an. Nicht ganz freiwillig, aber es tut gut, mal ein wenig zu entspannen. Und so war ich heute in der Handelskammer um mir die Ausstellung von Michael Zibold anzuschauen. Der war in den letzten 20 Jahren in 19 Hafenstädten rund um den Globus und hat diese Städte portraitiert. Dabei stehen gar nicht so sehr die Schiffe und Häfen im Vordergrund, sondern eher das Leben und die Menschen dort. Das Ergebnis dieser Beobachtungen kann man nun gerade in einer etwas gewöhnungsbedürftig gehängten Ausstellung in der Hamburger Handelskammer (die aber dafür kostenlos zu besichtigen ist) und in einem Photoband ansehen.

Mir gefallen die durchweg schwarzweißen Aufnahmen sehr gut. Sie sind mit einem sehr aufmerksamen und auch liebevollen Auge beobachtet, zeigen schöne Details und ermahnen mich, bei meinen Bildern auch noch etwas näher ran zu gehen, mehr die Details zu zeigen. Natürlich sieht man den Bildern an, daß sie im Laufe einer recht langen Zeit entstanden sind, zwanzig Jahre sind ja schon ein Unterschied im Aussehen der Menschen und Städte. Trotzdem fällt mir auf, daß alle Städte eine gewisse gelassene Offenheit ausstrahlen. Das mag an der Perspektive des Photographen liegen, oder aber eben doch am Flair einer Hafenstadt. Es hat mir auf jeden Fall großen Spaß gemacht, mir die Bilder anzuschauen und so kann ich Euch einen Besuch der Ausstellung sehr empfehlen.

Tolle Castingshow

Castingshows sind im Fernsehen ja schwer angesagt und auch die Öffentlichrechtlichen machen fleißig mit. Heute Abend sah ich zufällig die Endausscheidung von „Dein Song“ im KiKa — und war überrascht. Was für ein tolles Niveau. Dieter Bohlen soll sich von dieser Sendung mal eine ganz dicke Scheibe … nein, Quatsch, zwei extradicke Scheiben abschneiden.

Worum geht’s: Kinder (die jüngste Teilnehmerin war elf !) schreiben ihre eigenen Songs, stellen sie einer Jury vor, die besten 16 wurden zu einem Komponistencamp geschickt, bei dem sie die Gelegenheit hatten, ihre Songs unter professioneller Betreuung und gegensseitiger Hilfe zu überarbeiten. Die besten acht Teilnehmer konnten dann die Stücke zusammen mit einem „Paten“ aufnehmen. Dabei muß ich sagen, daß allein die Auswahl der prominenten Paten schon wirklich toll und zum jeweiligen Song passend war. Herausgekommen sind acht Stücke bei denen es mir schwer fällt, mich wirklich für den besten Song zu entscheiden. Mir gefallen zwar nicht alle acht Produktionen, aber das Gesamtniveau ist echt spitze. Außerdem konnten diese acht Finalteilnehmer ein Video zu ihrem Song produzieren. Auch bei der Umsetzung der Filme wurde beim ZDF nicht gespart; so poppige Produktionen hätte man dem angeblichen Seniorensender gar nicht zugetraut.

Insgesamt eine Show, die auf Individualität setzt. Die nicht bekannte Hits nachträllern läßt, sondern die eigene Kreativität fördert. Und ein Format, daß nicht in den KiKa, sondern in den Hauptsender gehört. Beide Daumen hoch.

Vivian Maier in Hamburg

Seit knapp zwei Jahren steigt in rasantem Tempo der Stern einer sehr begnadeten Photographin: Vivian Maier schaffte es in dieser Zeit von absoluter Unbekanntheit zur weltweit gerühmten Street Photographerin. Ein toller Erfolg. Und fast ein Märchen. Denn Vivian Maier starb in den Tagen ihrer absolut zufälligen Entdeckung und hinterließ in Kisten, die versteigert wurden um Mietschulden zu zahlen, über 100.000 Photos und mehrere Tausend unentwickelte Rollfilme. Bilder, die außer ihr zuvor niemand sah, weil sie sie hütete wie einen Schatz. Bilder von bezaubernder Schönheit und perfekter Komposition. Bilder aus den 50er bis 90er Jahren. Straßenphotographie und Studien, die den Vergleich mit allem was man so kennt absolut nicht scheuen braucht.

Der Ersteigerer der Bilder suchte eigentlich etwas ganz anderes, erkannte aber recht schnell, daß die Arbeiten, die er da erstanden hatte, von großem Wert sein müssen und begann sie zu veröffentlichen. Die Reaktionen waren überwältigend und so wird nun der ganze photographische Nachlaß aufgearbeitet. Der Nachlaß einer Frau, die eigentlich niemand so richtig kannte, die verschlossen war und als Kindermädchen im Wesentlichen in Chicago lebte.

Einen ersten Überblick der Arbeiten kann man zur Zeit und noch bis zum 28.04.2011 in der Hamburger Galerie Hilaneh von Kories sehen. Zwar finde ich den Titel der Ausstellung „Twinkle, twinkle, little star…“ selten dämlich, aber das sollte nicht schrecken, die wirklich sehenswerte Präsentation trotzdem zu besuchen — zumal der Eintritt frei ist.

Jenseits der Tatsache, daß ich die Bilder auch wirklich toll finde und der Meinung bin, daß es sehr schade gewesen wäre, wären sie im Orkus verschwunden, beschäftigt mich aber auch die Frage, was denn Vivian Maier dazu gesagt hätte, daß ihre Bilder nun weltweit gezeigt werden. Wie das eigentlich mit dem Copyright von Bildern aussieht, wenn jemand keine Verwandten hat; kann der Käufer der Negative sie einfach unter sein Copyright stellen ?  Wie das mit den Persönlichkeitsrechten der abgebildeten Personen ist, die da jetzt in Galerien ausgestellt werden; darf man die nun einfach zeigen ?  Für Vivian Maier waren ihre Bilder ihre ureigene Privatsache, nie hat sie ihre Werke jemandem gezeigt. Die vielen Tausend unentwickelten Filme zeigen eher, daß sie der Moment des Photographierens viel mehr interessierte, als das Betrachten der Photos. Wie würde diese Frau also auf ihren plötzlichen Ruhm reagieren ?

Auf jeden Fall aber lohnt es, sich mit den Arbeiten Vivian Maiers zu beschäftigen.

Hear what happens

Diese CD schenkte mir Klaus nachträglich zu Weihnachten, dafür natürlich ganz, ganz herzlichen Dank nach Bonn. Thomas Quasthoff, eigentlich eher im klassischen Bereich zuhause und übrigens ein äußerst sympathischer Mensch, streifte mit The Jazz Album zum ersten Mal in anderen musikalischen Gefilden umher und das wirklich überzeugend gut. Ich hörte die CD das erste Mal beim Spülen und die ersten Nummern plätscherten schön gemütlich fast Bar-Jazz – mäßig vor sich hin, bis ich plötzlich ganz unvermittelt merkte, daß das ganz schön weit weg ist von Bar-Jazz. Spätestens ab Track 4 ist das wirklich sehr emotional und sowohl musikalisch, als auch von der Interpretation her perfekt eingesungen und es macht eine unglaubliche Freude, diese CD wieder und wieder zu hören, um noch weitere Details dieser Produktion zu entdecken.

Thomas Quasthoff verläßt sich nicht auf die üblichen Interpretationsweisen der zum größten Teil bekannten Stücke, sondern entwickelt ganz eigene Versionen, die zeigen, daß das Jazz – Album nicht einfach eine Facette ist, die man mal abhaken mußte, um es auch mal gemacht zu haben, sondern ein Projekt, das mit Herzblut angegangen wurde, mit dem sich der Bariton Quasthoff intensiv auseinandersetze. Es ist eine tolle Platte geworden, die anzuhören ich Euch wärmstens empfehlen kann.

Ernst Ludwig Kirchner in der Kunsthalle Hamburg

Bild von Ernst Ludwig Kirchner

Während wir uns also in Richtung Cottbus stauen kann ich ja die Zeit nutzen und von meinem Besuch in der Ernst Ludwig Kirchner – Ausstellung der Kunsthalle Hamburg am letzten Wochenende erzählen, die ich unter der Führung von Matthias Wellmer sah, der als launiger und wohlinformierter Führer immer wieder ein Genuß ist.

Kirchner, Mitbegründer der „Brücke“ und prägende Figur des Expressionismus‚ verstand es, Stimmungen, vor allem wohl seine eigene Stimmung, gewissermaßen als Subtext in den Bildern unterzubringen. Im oben abgebildeten Bild aus seiner Berliner Zeit steckt die Unruhe in den vielen gezackelten Linien. Bilder von Fehmarn, einer Insel, die Kirchner oft zur Erholung aufsuchte, sind insgesamt viel ruhiger in der Linienführung. Für mich war es interessant zu sehen, daß Kirchner mit sehr unterschiedlichen Techniken (Kohle, Kreide, Radierungen, Öl und Holzschnitte, teilweise auch in Kombination miteinander) arbeitete, die jeweils neben seiner künstlerischen Entwicklung im Laufe der Zeit eben auch sehr unterschiedlich wirkende Werke ergeben. Auch gibt es einzelne Motive, die er im Laufe der Jahre mittels unterschiedlicher Techniken darstellte. Der Unterschied und die Gemeinsamkeiten sind sehr interessant. Außerdem war Kirchner wie ich fleißiger Postkartenschreiber — nur versandte er keine Ansichtskarten, sondern immer selbstgemalte Karten mit teilweise erstaunlicher Komplexität.

Kirchner selbst war ein absoluter Kontrollfreak und wollte wohl auch die Kritiken seiner Werke beeinflussen. Aus diesem Grund schuf er die Figur eines französischen Kritikers, mit der er jahrelang erfolgreich begeisterte Kritiken seiner Werke schrieb, bis dieses Doppelleben aufzufliegen drohte.

Mir selbst hat die große Bandbreite und auch die Art der Werke sehr gut gefallen und kann Euch den Besuch in der Kunsthalle nur empfehlen.

Sammlung Falckenberg

Am gestrigen Sonntag war ich in einer der umfangreichsten Sammlungen zeitgenössischer Kunst … nun … ich denke Deutschlands; sie kann es jedenfalls ganz locker mit dem modernen Teil der Kunsthalle Hamburg aufnehmen. Die private Sammlung Falckenberg liegt ohne weitere Beschilderung in einem alten Phoenix Gummifabrik – Gebäude am Rande der Innenstadt von Hamburg – Harburg und man würde locker daran vorbeilaufen, wüßte man nicht genau, daß der Eingang irgendwo am Tor zwei liegen muß. Diese Privatsammlung ist zwar öffentlich zugänglich, allerdings nur nach vorgeriger Anmeldung; sie hat keinen normalen Museumsbetrieb. Auch kann man (leider !) nicht einfach nach eigenem Tempo hindurchlaufen, sondern diese Sammlung ist aus Sicherheitsgründen nur geführt zu sehen.

In der Ausstellung selbst darf man zwar ohne Blitz photographieren, allerdings ist die Veröffentlichung ausdrücklich nicht erlaubt, so daß dies der einzige Eindruck des Innenraums sein soll. Die ständige Sammlung sowie die wechselnden Ausstellungen finden auf vier Etagen Platz; im Keller ist das Magazin, dort hängen die Gemälder an zahllosen, großen Rollwänden, die man zum Betrachten der Bilder verschieben kann.

Grund meines Besuchs und längster Teil der Führung war die derzeitige Sonderausstellung über das Werk von Uwe Lausen, einem Maler der sechziger Jahre, den man sicher als einen der wichtigsten, eindrücklichsten deutschen Maler dieser Zeit bezeichnen kann. In nur neun Jahren seines Schaffens vor seinem Freitod als 29jähriger schuf er rund 200 Gemälde. Dabei ist eine Entwicklung in der Varianz von Perspektive und Technik zu sehen, die andere kaum in einem ganzen Lebenswerk schaffen.

Nebenher hatte ich dann aber auch Gelegenheit, die zweite Sonderausstellung „P(r)unk“ über Wolfgang Petrick und eben die Stammausstellung zumindest einmal zu streifen.

Es ist für mich als Laien nun schwer, Bilder, Kunstwerke und Techniker zu beschreiben; das müßt Ihr Euch schon selbst anschauen. Insgesamt bedauere ich aber sehr, daß ich nicht die Gelegenheit hatte, statt der knapp zwei Stunden gute vier oder fünf Stunden in dieser Sammlung verbringen zu können. Das wäre sicher angemessen und außerdem noch … ein Spaß ist sicher das falsche Wort, aber es wäre ohne Ermüdung sicher möglich gewesen, denn die Sammlung ist wirklich toll, gelungen, sehenswert.

Ich wohne nun schon fünfzehn Jahre in Hamburg und hatte von der Sammlung Falckenberg zuvor noch nie gehört. Das mag am Standort und an der verschwiegenen Art und Weise des Betriebs, aber vielleicht auch an meinem Banausentum liegen, jedenfalls hat es die Sammlung verdient, von einem großen Publikum gesehen zu werden. Hamburgern sei also dieses Mal tatsächlich die Reise über die Elbe in die südlichen Stadtteile empfohlen und Auswärtige mögen eben auch daran denken, daß vielleicht auch Harburg ein Abstecher wert sein kann. Beiden, Hamburgern wie Besuchern, sei eine rechtzeitige Anmeldung empfohlen, ohne diese kommt man nicht rein.