Gestern war ich also wie angekündigt bei der Lausch Lounge in der Katharinenkirche und es war ein toller Abend. Unter anderem deshalb, weil Roger Cicero, platinverkaufender Schmuseswinger, kurzfristig seinen lange geplanten LauschLounge – Auftritt vergessen hatte und lieber proben mußte. So stellte es jedenfalls das Organisationsteam des Abends dar und warum sollte ich Michy und Hasko nicht glauben. Statt dessen hatte man Niels Frevert überreden können, einen seiner raren Gigs zu geben; das war auf jeden Fall ein Gewinn. Aber mal schön der Reihe nach.
Erst mal wurden wir vom Pastor der Kirche begrüßt und (tatsächlich erträglich) in den Advent eingestimmt. Dann übernahm Michy das Ruder, erklärte uns, warum er statt 20 Packungen Räucherstäbchen 300 gekauft hatte (Mindestbestellwert……), warum nicht Roger, sondern Niels spielen wird (siehe oben) und begrüßte auch schon die erste Künstlerin, Kira.
Kiras Gesang muß man sicher mögen. Sie hat eine leicht brüchige Stimme mit einem starken Tremolo. Aber ich mag ihre Art zu singen, ihre Art, Dinge zu sehen, Songs zu schreiben sehr und darum habe ich auch beide CDs. Kira ist gerade mit Keimzeit als Support auf Tour und hat extra ihren Offday geopfert, um in der Lausch Lounge zu spielen. Für sie bestimmt ein großer Kontrast: gestern noch in kleineren, verrauchten Clubs und heute in einer großen, luftigen Kirche. Ihr Set hat mir gut gefallen; sie war ein toller Opener.
Der zweite Künstler des Abends, Ole Soul, war richtig überzeugend. Manche von Euch kennen ihn vielleicht aus dem diesjährigen BundesVisionSongContest, wo er Hamburg vertrat, oder aus dem Disney/Pixar – Film „Cars“, in dem er mit dem Song „Unsere Stadt“ beteiligt ist. Ich selbst hatte ihn noch nie gesehen und war begeistert. Tolle, witzige Texte, druckvolle Musik. Außerdem ist Ole ’ne überzeugende und überzeugte Rampensau, er kann sich gut verkaufen und so machte sein Set wirklich Spaß. Ganz sicher ein Künstler, den ich mir noch mal mit kompletter Band ansehen werde. Er macht seinem Namen auf jeden Fall alle Ehre.
Nach zwei Künstlern ist traditionell Pause und man kann Getränke nachladen und auch was zu Essen holen. Wer von Euch gedacht hat, daß eine solche Veranstaltung in einer Kirche eine trockene Sache ist, hat sich getäuscht. Natürlich gab’s mit Bier, Wein, Wasser alles, was man bei einem Konzert so braucht. Es ist schon witzig, mit ’ner Flasche Flens in ’ner Kirchenbank zu sitzen. Und noch mit einem zweiten Vorurteil kann ich direkt aufräumen: in der Kirche war es ausreichend warm. Nur der Sound ist halt kirchig; lange Hallzeiten bestimmen den Eindruck. Darum hatte man heute auch nur kleine Besetzungen und auf jeden Fall kein Schlagzeug zugelassen; alles andere wäre akustischer Selbstmord gewesen.
Nach der Pause ging es dann mit Cäthe, einer frischen Absolventin des Kontaktstudiengangs Musik der Hamburger Musikhochschule, weiter. Auch hier gehen die Meinungen sicher auseinander. Mir gefallen Texte und Musik eher nicht. Zu pseudointerlektuellemanzipiertsozialpädagogisch. Ehrlicherweise muß ich sagen, daß der Auftritt für Cäthe bestimmt besonders schwer war, denn sie macht eigentlich elektronische Musik und mußte hier nur mit einer Gitarre begleitet zurechtkommen. Da mögen ihre Songs im „richtigen“ Gewand vielleicht ganz anders wirken. Von daher erst mal Respekt für den Mut, die Songs so umzubauen und damit aufzutreten.
Zu guter Letzt, für mich sicher als Höhepunkt, dann Niels Frevert. Auch seine Musik ist sicher Geschmacksache. Manchem mag sie zu melancholisch sein. Ich genieße seine Musik jedoch seit frühesten Nationalgalerie – Zeiten sehr. Vieles kommt meiner Sicht, meinen Empfindungen sehr entgegen. Ich habe halt auch manchmal ziemlich melancholische Momente — wenngleich ich sicher nicht seine Drogen nehme; seine Wortspiele sind schon teilweise sehr abgefahren. Sein Set auf jeden Fall richtig toll. Nicht nur Songs von ihm (aus Galerie – Zeiten nicht einer), sondern auch sehr eigenwillige Versionen von Lindenberg- und Nina Hagen – Nummern. Er war übrigens sichtbar erstaunt, daß „unbehagen“ bei den Besuchern komplett unbekannt war. Auch hier kann ich eine unbedingte Empfehlung für zugünftige Gigs geben.
Die Lausch Lounge also wieder mal eine gute Mischung mit einer für mich tollen Überraschung (Ole Soul). Meinen Hamburger Lesern sei diese Konzertreihe, die normalerweise im Hörsaal stattfindet, also auf’s wärmste ans Herz gelegt.