Schon vor zwei Wochen war ich in der sehr sehenswerten Ausstellung Pop Life, die zur Zeit in der Hamburger Kunsthalle zu sehen ist. Völlig egal, wie man nun zu moderner Kunst steht, bietet sie mit einer guten Führung (ich hatte das Vergnügen, von Matthias Wellmer durch das Haus geleitet zu werden und seine launigen Erklärungen zu hören) eine gute Gelegenheit über Kunst, den Unterschied zwischen Kunst und Kitsch, sowie über Unterwanderung von Kommerz durch Kunst nachzudenken.
Oben seht Ihr das goldene Kalb, False Idol, von Damien Hirst.
Andy Warhol ist sicher der bekannteste Vertreter der Pop Art. Er ist in dieser Ausstellung vertreten, gewissermaßen als Vater und Wurzel einer ganzen Entwicklung. Der Ausstellungsname Pop Life zeigt, daß es durchaus um eine Weiterentwicklung dieser Kunstform geht, um das ganze Leben eines Künstlers als Kunstwerk. Das kann auch mal völlig beknackt sein, wenn beispielsweise eine Frau vier Jahre als Prostituierte arbeitet, im Nachhinein diese Zeit als Kunstwerk erklärt und dann sang & klanglos in der Versenkung verschwindet. Da ist sie dann wieder, die Frage was Kunst und was einfach nur Verarschung ist. Die Frage mag auch jeder für sich beantworten.
Einige Exponate ergeben auch ganz unterschiedliche Interpretationen, jenachdem, aus welchem Blickwinkel man sie betrachtet. Hier sieht es ja so aus, als ob Barbie aus ihren übergroßen Eutern Milch verspritzt.
Mit nur etwas anderer Betrachtung könnte sie auch nur seilchenspringen.
Pop Art nutzt unsere Sprache, unsere alltägliche Umgebung, um ebendiese zu überspitzen, um sie umzukehren und uns zu zeigen, wie zweifelhaft unser Alltag ist. Sie ist wie ein Spion, ein Schläfer, der sich assimiliert, um dann in einem unerwarteten Moment zuzuschlagen. Wie bei diesem Selbstportrait. Es geht plötzlich nicht mehr um Körperlichkeit, sondern — wie im wirklichen Leben — um die richtigen Marken, mit denen man sich umgibt.
Leider ist die Ausstellung nicht ganz komplett. Pop Life ist keine einmalige Ausstellung, sondern eine Wanderausstellung, die schon im Londoner Tate zu sehen war. Richard Princes Spiritual America wurde in London noch vor der Eröffnung von der Polizei abgehangen, in Hamburg versuchte man erst gar nicht, das Brooke Shields – Bild zu zeigen. Auch Teile von Tracey Emins Werk haben es nicht nach Hamburg geschafft, obwohl sie in London zu sehen waren. Dafür ist Martin Kippenberger zu sehen (oben mit Bitte nicht nach Hause schicken), dessen ironischstes Werk, eine Einladungskarte mit dem Titel Dialog mit der Jugend, das Klippenberger zeigt, nachdem er vor seiner Kneipe SO36 niedergeschlagen worden war, auch fehlt.
Andere Künstler, oben Garvin Turk, nehmen den Betrachter direkt mehrfach auf den Arm. Hier vermischt Turk verschiedene Bilder, die sich in unser kulturelles Gedächtnis eingeprägt haben, zu etwas neuem. Wir meinen, Ché Guevara in der legendären Pose zu sehen, die Warhol mit Elvis Presley für dessen Film Flaming Lips schuf. Dabei sehen wir einfach nur ein Selbstportrait Turks, der uns etwas anderes sehen machen will. Eben weil wir es so wollen, weil uns kleine Anreize genügen, um uns ein Trojanisches Pferd unterzuschieben.
Einige Bilder, wie hier von Jeff Koons, hängen in einem abgeschlossenen Bereich, der erst ab 18 zugänglich ist. Das wird auch kontrolliert. So durfte ein sechzehnjähriger Teilnehmer unserer Führungsgruppe nicht mit in diesen Raum, obwohl sein Vater mit dabei war und nichts dagegen einzuwenden hatte, daß der Sohn sieht, was er im Internet sowieso sehen kann. Gerade bei einer Führung kann ich das ehrlicherweise nicht verstehen, werden die Werke doch da kritisch hinterfragt.
Auch diese Kollage ist nicht das, für das man sie im ersten Blick hält. Zu sehen sind nicht Nazigrößen. Jedenfalls keine echten. Zu sehen sind Schauspieler aus zahlreichen Filmen, in denen sie Nazis dargestellen. Wir sind kaum in der Lage, das zu unterscheiden.
Schließen möchte ich mit einem fast österlichen Bild. Neben den verschiedenen Fragen zu Kunst und Religion, die man rund um dieses Kunstwerk diskutieren kann, beeindruckt es erstmal allein durch die Größe. Da liegt eben ein richtiges, ausgewachsenes Pferd. Ja, ausgestopft. Trotzdem aber groß und hervorragend präpariert; man meint fast, die Adern am Hals pulsen zu sehen. Und somit schließt sich der Kreis ja zum Anfang der Ausstellung mit dem Kalb.
Zu dieser Ausstellung gab es in der Presse sehr unterschiedliche Besprechungen. Mir hat sie sehr gut gefallen, was sicher auch an der hervorragenden Führung lag, die mit provokativen Thesen zum Nachdenken anregte. Ich kann einen Besuch sehr empfehlen; bis zum 09. Mai ist das in Hamburg noch möglich.