Flashback: Warschau

Warschau ist eine Stadt, die ich sehr mag. Ich war schon oft dort, kenne ein paar Warschauer und fühle mich da einfach zuhause. Warschau ist nicht schön, aber herzlich. Und melancholisch. Das erklärt auch das erste, total unscharfe Bild: über der Innenstadt schwirren bei Einbruch des Abends tausende von Krähen. Die ganze Luft ist voll von den Vögeln und vom Gekrächze. Von überall her krächzt es im Superdolbysurround; das bekäme kein Filmtonmann so gut hin, wie es hier jeden Abend im Winter geboten wird. Allein das ist ein Besuch in der Stadt wert.

Wir spielten im Kulturpalast direkt neben dem unterirdischen Hauptbahnhof mitten in der Stadt. Das protzige Gebäude wird von den Einheimischen nach dem Erbauer auch Stalinorgel genannt und nicht nur geliebt. Manche ältere Warschauer sehen es als Zeichen der russischen Okkupation.

Der große Saal sieht schon wirklich sehr schön aus; achtet auch mal auf das Deckensegel über der Bühne. Das hat alles schon Klasse und so kann man auch mal die Geschichte des Baus vergessen und einfach nur froh sein, hier spielen zu können. Jedenfalls so lange, bis man sich dann mal um die Technik kümmert. Wieder ist es so, daß wie in Tallin die vorher zugeschickten Angaben zu den Riggingpunkten nicht stimmen. Dabei ist das Gebäude hier nun wirklich alt genug, um zuverlässige Informationen zu haben. Der Riggingplan, der mir vor Ort vorgelegt wird, zeigt jedenfalls 40% weniger mögliche Lasten an, als der, den ich vorab bekam. Bei meiner Rückfrage bekam ich dann zur Antwort: „Na ja … geht vielleicht auch. Hat bisher immer gehalten.“ Super. Das sind ja sichere Angaben.

Es gibt auch ausreichende Stromanschlüsse an der Bühnenrückseite. Etwa in der Bühnemitte die für das Licht, stage right die für den Ton. Bei uns steht der Ton stage left, das Licht stage right und so entschließen wir uns, die Anschlüsse einfach zu drehen, Licht auf den Tonanschluß und Ton auf den Lichtanschluß zu legen. Das bekommen die Haustechniker mit und beginnen das große Zetern. Das sei auf keinen Fall möglich, wir müssen das anders machen. Wir verstehen das nicht — ein 125er ist ein 125er und ein 63er ist ein 63er. Dem Stecker ist doch egal, was daran angeschlossen wird und so lange wir keinen Hauston nutzen, machen auch eventuelle Potentialunterschiede nichts. Aber mit den Hausleuten ist nicht zu reden, sie ziehen sogar mitten in der Fahrt den Motorenstecker aus dem Tonstrom…… Gut, das ist verstanden.

Daß seit der Einweihung durch Stalin technologisch nicht mehr viel in dem Bau passiert ist, sieht man am Inspipult des Hauses. Die Zeiger der Uhr sind lange abgefallen und mit Filzstift aufgemalt.

Und beim Blick auf die HausPA werden alte Gefühle wach. Ich verstehe gar nicht, warum Hermann sich standhaft weigerte, sie zu nutzen. So alte W-Bins machen doch tolle Bässe. Hihi.

Insgesamt zieht sich der Tag dann hin, was nicht nur an den sehr altprinzipientreuen Haustechnikern, sondern auch an den etwas unterernährten Jüngelchen schmalbrüstigen Helfern liegt, die zum Verdunsten neigen. Gunta hat abends Angst, die Kisten in die dritte Etage tippen zu lassen, kommt aber nicht drumherum, weil sonst nicht alles ins Auto paßt. Während des Abbaus erleben wir, daß im Gebäude auch mehrere Diskos beheimatet sind und die akustische Trennung der einzelnen Säle nicht so gut ist: der ganze Saal scheppert im Beat der Bässe. Neben einigen musikalischen Katastrophen anderer Clubs hört sich aber der Klub 55 im Nebengebäude ganz gut an und ist sicher einen Besuch wert.

Beim rausfahren entdecken wir, daß wohl der ein oder andere schon mal versucht hat, ohne bezahltes Parkticket durch die Schranke zu brettern. Das würde man jetzt eher nur noch mit einem Panzer versuchen. Die Dornen machen jedenfalls einen äußerst stabilen Eindruck. Zum Glück haben wir Ausfahrtickets und so gondeln wir nach Łodz.

Am Weiher

Bei so einem schönen Winterwetter mitten in der Stadt muß man einfach raus und es genießen. Schließlich ist es hier oft einfach nur matschig und nicht schön weiß. Der Schnee der letzten Nacht ist richtiger Pulverschnee; zu pulvrig, um eine echte Schneeballschlacht damit zu machen, weil er sich nur schlecht zusammenbacken läßt. Aber dadurch ergeben sich halt viele schöne Perspektiven.

Hamburg hat viele kleine und große Parks, wir waren in einem kleineren mit einem zentralen kleinen Teich in der Mitte. Und wir waren deutlich nicht die einzigen, die es nach draußen zog. Sogar Jogger liefen bei der Kälte ihre Bahn. Wer’s mag……

Als echte Sensation gab es sogar tibetische Schneelöwen zu sehen; ein gutes Zeichen, stehen sie in der asiatischen Mythologie doch für furchtloses Glück. Sowas am Jahresanfang kann einfach nur ein gutes Zeichen sein.

Am Straßenrand liegen schon ganz schön viele Tannenbäume, was mich vor Dreikönig doch ein wenig wundert. Hochinteressant finde ich diese Fräsung hier. Ich hab‘ sowas noch nie gesehen. Kann man das an Tannenbaumverkaufsständen machen lassen, oder hat ein Heimwerker Werkzeug, das ich nicht habe [Neid] ?!?

Währungen

Ich bin kein Freund der politischen EU. Die Interessen der einzelnen Länder sind einfach zu unterschiedlich, um sie sinnvoll unter einen Hut zu bekommen. Aber ich bin ein großer Freund der alten EWG und des Euros und unsere Tour bestätigte mich noch mal darin. Der EWG und EG ist es zu verdanken, daß wir fast überall ohne große Zollformalitäten reisen konnten. Das ist sehr angenehm, dann des Nächtens bei Regen und in Kälte mit irgendwelchen Zollbeamten zu verhandeln gehört nicht zu den Dingen, wegen derer ich meinen Job so schätze. Statt dessen fährt man einfach über die Grenze. Sehr gut.

Unsere Termine in Rußland, Estland, Lettland, Litauen und Polen zeigten mir auch noch mal, wie lästig diese Geldtauscherei ist. Täglich eine neue Währung, täglich das Geld von gestern in das Geld von heute tauschen und dabei natürlich Wert verlieren. Das braucht kein Mensch. Und darum begrüße ich die weitere Verbreitung des Euros aufs Herzlichste, denn in der Eurozone kann man herrlich angenehm reisen, man hat immer die passende Kohle in der Tasche.

Flashback: Vilnius

Mittlerweile habe ich mich von der Gregorian – Tour ein wenig erholt, alle Wäsche ist gewaschen und der Postberg auch abgetragen, also kann ich mal von den Städten berichten, in denen ich zum Bloggen nicht gekommen bin. Zum Beispiel von Vilnius in Litauen. Da sollten wir eigentlich nach Tallin spielen, aber weil der örtliche Veranstalter plötzlich auf toten Mann machte und weder mit letzten Informationen, noch mit der vereinbarten Vorabgage rüberkam, verbrachten wir zwar dort zwei Tage, hatten aber spielfrei — was nach dem Rußland – Abenteuer jetzt auch nicht sooo schlecht war.

Eben weil es der erste freie Tag seit Probenbeginn war, verschlief ich wesentliche Zeit und bekam nur wenig mit. Immerhin sah ich die etwas spezielle Werbung für ein Restaurant und war auch shoppen. Ziemlich in Hotelnähe gab es diese Passage hier, deren fliegende Gondeln als Cafés mir gefielen. Außerdem gab es dort einen Reserved – Laden. Diese Marke kenne ich aus Polen, in Deutschland sah ich sie bisher nie und dort gibt es recht schöne Klamotten zu  ziemlich günstigen Preisen. Am zweiten Tag ging auch Hermann hin.

Darüber hinaus gibt es auch eine ganz schöne Altstadt, aber als ich dorthin ging, hatte ich meinen Photoapparat im Hotel liegenlassen, ich kann also keine Bilder bieten.

Wir standen ja noch ganz frisch unter dem Eindruck der russischen Weiblichkeit, verglichen also noch alle Frauen mit den Russinnen. Die in Vilnius kamen dabei gar nicht so schlecht weg. Sie waren viel europäischer, viel weniger aufgebrezelt, viel weniger herausfordernd als in Rußland, aber von einer sehr natürlichen Schönheit und Herzlichkeit, so daß nicht wenige von uns hier mehr angetan waren, als vom optischen Kampfangriff in Moskau oder Petersburg. Sehr angenehm.

Ernte

Bevor der Herbst mit Spatzenfest, Anna Maria Kaufmann (eine Produktion, über die ich gar nicht zum bloggen kam) und Gregorian losging, hatte ich ja die Aufgabe dafür zu sorgen, daß Ben Hur Live ausreichend in der Fachpresse gewürdigt wird. Wenn ich mir die Titelblätter anschaue, dann bin ich ja schon ein wenig stolz.

Flirtbörse mit Verletzungsgefahr

Es gibt Dinge, bei denen ich mir jedes Jahr vornehme, es nicht mehr zu tun und es dann im nächsten Jahr natürlich wieder mache:  Sylvester einkaufen zu gehen. Dieses Jahr traf es mich beim Edespar (von Edeka aufgekaufter ehemaliger Spar – Laden) meines Vertrauens; die Schlangen an den Kassen gingen einmal quer durch den Laden bis zur gegenüberliegenden Wand. Dabei wollte ich nur mal schnell ein paar Kleinigkeiten besorgen, die ich am Vorabend vergessen hatte. Die Atmosphäre war allerdings hochinteressant: faktisch alle jüngeren Menschen waren wohl mit dem Vorsatz losgezogen, noch schnell für einen zumindest sexuell befriedigenden Abschluß des Jahres zu sorgen. Es wurde geflirtet, wie ich es in einem Supermarkt (und auch sonst kaum) noch nie erlebt habe. An den Stehtischen des Backshops wurden dann erfolgreiche Anbahnungsversuche direkt mit Pikkolos besiegelt.

Im krassen Gegensatz dazu standen die über siebzigjährigen Damen im Geschäft. Mit einem Einkaufswagen als Waffe schoben sie mit verbissener Miene alles beiseite, was nicht schnell genug zur Seite sprang. Mich wunderte, daß man nicht regelmäßig statt Sektkorken Archillessehnen knallen hörte. Wahrscheinlich waren sie nur sauer darüber, daß sie an der … Fleischtheke der jüngeren Generationen nicht mehr mitmischen konnten.

Ein gutes Jahr

Copyright: Annette Prüfer

Während der ein oder andere mit dem abgelaufenen Jahr nicht ganz zufrieden war, will ich mich nicht beklagen. Der Sommer war sonnig, der Winter begann mit Schnee, das Haus in dem ich wohne steht noch, ich habe einen Job und trotz einiger Unbillen bin ich wieder gesund — nach mehr darf man doch gar nicht fragen.

Euch wünsche ich nun ein perfektes 2010. Laßt Euch einfach nicht unterkriegen und macht das Beste draus.

Silvesterspaziergang

Wie kann man ein Jahr besser beschließen, als mit einem Spaziergang durch leicht verschneite Flure. Wir entschieden uns, durchs Alte Land zu laufen und zwar auf der typischen Rennstrecke, die man im Frühling und Sommer am Wochenende kaum gehen kann, weil dann Tausende dort unterwegs sind: vom Fähranleger Finkenwerder aus erst am Deich entlang und dann rechts abgebogen parallel zur Süderelbe auf dem Osterfelddeich.

Die Häuser stehen dort so, daß die Eingänge in der ersten Etage zum Deich hin sind und hintenraus es dann direkt auf die Obstfelder geht. Oder zu den Schafen, die es dort auch zahlreich zu sehen gibt.

Die reetgedeckten Häuser sind eine nordische Spezialität und vom Nahen photographiert sehen sie im Winter fast ein wenig so aus wie ein felsiger Steilhang mit Schnee.

Weil die Temperaturen in den letzten Tagen rund um den Gefrierpunkt schwankten gibt es auch Eiszapfen.

Hier kann man sehen, daß es so kalt ist, daß sogar die Elbe zugefroren ist. Na ja. Fast. Es ist die Süderelbe, ein alter Seitenarm des Hauptstroms. Die Elbe selbst ist zu sehr in Bewegung, um schon zugefroren zu sein; dafür ist es einfach noch nicht kalt genug. Das letzte Mal daß ich es erlebte ist jetzt zwölf oder dreizehn Jahre her.

Das Alte Land ist berühmt für seinen Obstanbau. Speziell Äpfel werden hier im großen Stil geerntet. Kleine Früchte werden jedoch nicht gepflückt, sondern für die Tiere im Winter hängengelassen. Teilweise sehen die auch noch richtig gut aus.

Wir waren gestern die Einzigen, die einen Gang durch das Gelände machten, aber Ihr seht, daß die Gegend nicht nur zur Apfelblüte, sondern auch mitten im Winter einen Besuch wert ist. Und wenn man Thermoskannen mit Toter Tante und heißer Zitrone, sowie ein paar Weihnachtsplätzchen dabei hat, dann stehen ein paar schönen Stunden nichts im Weg.