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Am Wochenende erst in Duisburg gewesen, mein Vater wurde 75, und dann in Berlin. Dort war ich gewissermaßen im Niemandsland zwischen Mitte und Kreuzberg, Grenzgänger zwischen zwei Stadtteilen, die sich sehr verändert haben in den letzten Jahren und nicht nur zu ihrem Vorteil.

Ich bin erschrocken von toprenovierten Altbauten, die Decken mit Rigips tiefergesetzt, die Seelen alter Architektur entrissen für Beliebigkeit. Ich bin erstaunt über Kinderspielplätze, auf denen mindestens so viele Eltern wie Kinder hocken; über mechanisches Anstubsen der Schaukel und kaum Spiel, kaum miteinander spielende Kinder. Ich bin amüsiert über „Atomkraft — nein danke“ und „Brokdorf muß leben“ – tragende Transporter, die abgeschleppt werden, weil sie keine Feinstaubschutzzonenplakette tragen; die Realität hat sie eingeholt. Ich bin belustigt über die alten Besetzer in Bethanien, die von neuen Generationen von Besetzern nicht gerade verdrängt, aber doch zumindest mal bedrängt werden; auch bei Besetzern schafft zu viel Alterskonsenz revoltierenden Nachwuchs.

Und letztlich bin ich traurig. Es ist Charme verlorengegangen in Berlin 36.