Wenn man an Tango denkt, dann hat man doch ganz schnell das Bild einer alternden Kapelle vor Augen, bei der die Violine schluchzt, das Bandoneon melancholisch seufzt und die Musiker ihre Haare stark mit Pomade bändigen. Ich selbst hatte länger mit der Tanzshow Tango Passión zu tun und war dementsprechend mit Vorurteilen geprägt. Als dann gestern Abend das Konzert in der Fabrik begann, auf der Bühne ein Violinspieler mit einem an ein Grammophon erinnerndes Instrument, fühlte ich mich schon bestätigt. Aber es kam alles ganz anders.
Hätte ich vor dem Konzert genauer hingeschaut, dann wären mir schon zwei Laptops und ein 1210 aufgefallen, die nach dem Opener den Rest des Abends entscheidend mitbestimmen sollten. Das was wir nämlich zu hören bekamen, hat mit altbekanntem Tango in etwa so viel zu tun wie Foxtrott mit HipHop: maximal das Zählmaß.
Die Band Bajofondo (MySpace, Wikipedia) hat sich zum Ziel gesetzt, alten Melodien neues Leben einzuhauchen und mit neuen Kompositionen zur Evolution des Tangos beizutragen. Was zweifellos gelungen ist, denn innerhalb kürzester Zeit hüpfte und tanzte der ganze Saal; das Bild vor der Bühne glich eher einem Moshpit, als einer Milonga. Live ist das Programm noch deutlich mitreißender und härter als auf den CDs.
Natürlich gab es auch zwei ruhige Stücke, die eher an das erinnerten, was man gemeinhin unter Tango versteht. Und sie waren zum Luftholen auch bitter nötig. Außerdem hatte man hier mal die Muße, die technische Perfektion der Musiker ausreichend zu würdigen.
Wenig später war aber dann auch die Bühne voll mit tanzenden Menschen. Leider hatte Bajofondo gestern den letzten Termin ihrer Europatournee. So kann ich allen nur empfehlen, die Augen offenzuhalten und unbedingt hinzugehen, wenn mal wieder ein Konzert ansteht.
Ganz zum Schluß kam dann auch noch mal die Grammophongeige zum Einsatz. Der Bogen war gespannt und ergab einen schönen Abschluß eines fantastischen Abends. Lang lebe der Tango.