Seit einigen Wochen schon hängen — für diese Jahreszeit untypisch — in ganz Deutschland verschiedene Plakate der evangelischen Entwicklungshilfeaktion Brot für die Welt. Und weil sie doch auffällig häufig hängen, regten sie mich zum Nachdenken an. Natürlich wollen wir Gerechtigkeit, Essen und Gesundheitsfürsorge für alle. Natürlich sind wir für gleiche Chancen weltweit. Das ist doch klar, oder ?
Wenn ich da länger drüber nachdenke, dann beginnen diese Gedanken zu stolpern, dann schleicht sich ein „nun ja“ ein. Was wäre wirklich, wenn wir es schafften, alle mit ausreichend Brot, Bildung und Medikamenten zu versorgen ? Nun. Es wäre eine Katastrophe. So lange seit Jahrtausenden gewachsene gesellschaftliche Strukturen unter Unterstützung von Religionen eine sinnvolle Familienplanung verdammen, so lange dürfen nicht alle überleben, soll die Welt nicht an uns Menschen innerhalb kürzester Zeit zugrunde gehen. Die Toten sichern den Überlebenden das Leben. Ein erschreckender Gedanke.
Schon heute wächst die Weltbevölkerung in einem Maße, das es einen mittelfristig beunruhigt. Schon heute sorgt eine nur bescheidene Verbesserung der Lebensqualität in Asien für wirtschaftliche Kapriolen auf dem Weltmarkt. Schon heute steigt der Energieverbrauch und damit die Umweltverschmutzung viel stärker, als wir uns das auch nur ansatzweise leisten könnten. Was also, wenn die Millionen von Menschen überleben, die heute noch jedes Jahr an Hunger, Krankheit und Krieg krepieren ? Es würde diese Erde in ein noch viel größeres Chaos stürzen.
Die Frage ist nun: wie geht man da eigentlich mit um ? Unterläßt man jede Hilfe, zuckt mit den Schultern und sagt sich: „Ich geize für den Weltfrieden.“ ? Das, ehrlich gesagt, widerstrebt mir auch. Es zeigt sich also, daß wir vor einem echten Problem stehen — gerade angesichts der zunehmenden Radikalisierung von Religionen außerhalb Europas. Wie soll man technischen und medizinischen Fortschritt der Weltbevölkerung zugute kommen lassen, wenn gesellschaftlicher Fortschritt nicht in Sicht ist ? Wie kann ich wirklich helfen und nicht nur mein Gutmenschgewissen beruhigen ? Fragen, die ich nicht beantworten kann. Fragen, die mich sehr nachdenklich zurücklassen.
Hohe Kinderzahlen sind eine Altersversicherung. Die Geburtenraten fallen mit: Der Überlebensrate der Kinder, der Bildung der Mütter (auch, aber nicht nur über Verhütungsmöglichkeiten) und massiv mit einer verlässlichen Rentenversicherung.
Die Geburtenrate kann man nicht direkt steuern (jedenfalls wenn man nicht die Mittel wie in China anwenden kann oder will), sondern nur durch die oa Faktoren mittelbar beeinflussen. Am besten fängt man mit medizinischer Versorgung an. Wenn drei Kinder verlässlich das Erwachsenenalter erreichen, braucht man nicht sieben haben. Dann kommt die Bildung der Mütter – die der Väter ist übrigens für den Zweck weitgehend irrelevant. Gebildete Mütter haben ein eigenes Einkommen , haben eine Funktion jenseits der „Gebärmaschine“ und das wirkt sich aus.
Die gute Nachricht ist, dass genau diese Mittel seit rund zwei Jahrzehnten verbreitet sind und seit einiger Zeit auch greifen. In allen Staaten dieser Erde fallen die Geburtenraten, großteils massiv. Die Prognosen der Weltbevölkerung werden schon nach unten korrigiert, es gibt eine realistische Chance, dass die Tragekapazität der Erde auch langfristig nicht überschritten wird.
Also: Kein Grund zur Furcht und Spenden etc. für das Gesundheitssystem der Ärmsten und die Frauenbildung zahlen sich aus.
Hm. Daß die Geburtenraten sinken mag sein (das kann ich spontan nicht verifizieren). Daß jedoch die Prognosen zur Weltbevölkerung nach unten korrigiert werden, lese ich hier zum ersten Mal. Bisher wußte ich eher vom Gegenteil.
Ich glaube Dir, daß beim Thema Familienplanung die Frauen der Schlüssel zum Erfolg sind. Ich sehe aber, daß es wachsende Gebiete in der Welt gibt, in der die Rolle der Frau wieder eher auf dem Rückmarsch ist. Ich habe mich in den letzten Wochen etwas intensiver mit diesem Thema beschäftigt und kann leider nicht so positiv denken, wie Du das tust. Es wäre schön, wenn es ginge und für Quellen wäre ich sehr dankbar.
So zynisch es ist, genau die Überlegungen, die du anreißt, kommen mir auch häufiger. Die einzige Möglichkeit, langfristig tatsächlich etwas zu ändern, sehe ich darin, die Bildung zu fördern, und zwar nicht nur für Frauen. Deshalb unterstütze ich Organisationen, die ihren Schwerpunkt darauf verlegt haben.
Du sprichst da ein Thema an, über das ich auch schon des öfteren nachgedacht habe. Mit der medizinischen Entwicklung ist es ja ähnlich – was ist, wenn vielleicht in absehbahrer Zeit viele Krankheiten vollständig heilbar sind, Seuchen ausgerottet, etc? Ein eigentlich absolut wünschenswertes Ziel. Mit dem Nebeneffekt, das sich bei einer weiter steigenden durchschnittlichen Lebenserwartung die mit der Bevölkerungsexplosion einhergehenden Probleme verstärken. Natürlich werden/würden mit verbesserten Lebensumständen vielerorts auch wieder die Geburtenraten sinken, beides braucht jedoch viel Zeit. Zeit, die imho nicht mehr fehlt, und deswegen sind eigentlich die Anstrengungen, die momentan unternommen werde, egal ob über staatliche Entwicklungshilfe, durch die Arbeit von Wohltätigkeitsorganisationen oder simple Spenden, noch zu gering. Schweres Thema.
Bezüglich der prognostizierten Bevölkerungsentwicklungen in Europa gab es gestern einen Artikel bei SPON.