Am Freitag sah ich den Film Der Baader Meinhof Komplex (Wikipedia) und war berührt von der Aktualität und von den Unterschieden zu heute. Ich kann mich noch aus meiner Kindheit bruchstückhaft an das Desaster in München 1972 erinnern und auch in meiner Jugend war die RAF durchaus ein Thema. Nicht vergessen werde ich auch eine allgemeine Verkehrskontrolle im Rahmen der RAF – Fahndung, in die ich kurz nach meiner Führerscheinprüfung geriet. Allein bei der Armbewegung zu meinem Autoradio sah ich mich plötzlich den Mündungen von vier Maschinenpistolen ausgesetzt. Ich ließ die Musik laut.
Der Film zeigt nun, wie eine Organisation wie die RAF entstehen konnte und warum die erste Generation so breiten Rückhalt in der Bevölkerung hatte. Später, nachfolgende Generationen hielten sich nicht mehr an die politischen Linien, wurde diese Sympathie verspielt und machte einer allgemeinen Terrorhysterie Platz, wie sie heute wieder unseren Innenminister befällt. Damals wie heute ist Terrorangst Vorwand für weitreichende Einschränkungen der Bürgerrechte. Wobei der Protest heute deutlich moderater ausfällt, obwohl die Einschränkungen weitreichender sind.
Von vielen wird dem Film vorgeworfen, daß er keine Stellung beziehe, daß er nur darstelle, ohne zu bewerten. Gerade das macht ihn meiner Meinung nach so stark. Ich halte es für sehr schwer, eine schlüssige Bewertung der Entwicklung der damaligen Zeit vorzunehmen. Willy Brandts Motto „Mehr Dekokratie wagen“ ist aus dem Druck der Straße entstanden, die Festigung der Demokratie in Deutschland und das Selbstbewustsein von Widerstandsgruppen entstammt dieser Zeit, aus der die RAF entstammte und die sie mit geprägt hat. Wie soll man also diese Zeit und die RAF bewerten ?
Es ist unzweifelhaft, daß die Methoden dieser Organisation letztlich falsch waren. Der politische Unterbau jedoch zeugte von einem wachen Geist und einer kritischen Haltung gegenüber dem Weltgeschehen. Schon damals führten die USA Krieg für Öl und betrieben eine zum Himmel schreiende Außenpolitik. Deutschland spielte dabei als Truppenstandort und Rückzugsgebiet eine erhebliche Rolle. In Polizei und Justiz saßen oft noch Leute, die ihre Grundausbildung und Überzeugung in der NS – Zeit erhalten hatten. Der Staat beging ebenso viele Verbrechen wie die RAF. Wie soll da ein Film werten ? Allein die Zeit kann dargestellt und bewertet werden. Und das leistet der Film meiner Meinung nach ganz hervorragend.
Ein Manko ist sicher die Tatsache, daß die ganze Geschichte der Organisation mit allen Hintergründen in knapp zweieinhalb Stunden dargestellt werden sollen. Das klappt natürlich nicht und gerade zum Ende hin wirkt der Film dann doch etwas gehetzt. Aber er kann Anstoß sein, sich mit dieser Zeit zu befassen. Und mit der Frage, warum Jugend heute so viel unpolitischer ist als die damalige. Vielleicht ist ja gerade das die Revolte der heute Jungen.
So wenig ich die RAF glorifizieren möchte, 34 Morde sind 34 zu viel, so wenig kann ich das politische Umfeld dieser Zeit verdammen. Wenn ich mir heute Diskussionen anhöre, bei denen die sogenannten 68er verurteilt werden, so kommt mir der Gedanke, daß man heute einfach große Angst hat, erhebliche Teile der Bevölkerung könnten wie damals wieder wirklich politisch aktiv werden und das im Grunde beschauliche Leben der politischen Kaste könne wieder so deutlich hinterfragt werden. Meiner Meinung nach täte es unserer Demokratie gut. Politikverdrossenheit ist auf Dauer jedenfalls auch keine Lösung.
Jetzt bin ich ganz schön abgeschweift, darum meine Meinung zum Film noch mal zusammengefaßt: ein guter Überblick über die Zeit der RAF, leider manchmal dann doch zu kurz und zum Glück nicht wertend, dafür aber glänzend gespielt.