Lieferzeit wegen Wirtschaftskrise

Bei einem befreundeten Truckingunternehmen gab es in den letzten Tagen einen Unfall, bei dem der 18-Tonner final in die ewigen Jagtgründe eingegangen ist. Für die Emphaten: kein Personenschaden. Nun will das Unternehmen einen nagelneuen Wagen kaufen und weil es in die restliche Flotte paßt, soll es ein Fahrzeug des Herstellers mit drei Buchstaben sein, der zur Zeit auch anderweitig in der Tagespresse auftaucht. Beim Telephonat mit dem Verkauf bekam man dann zu hören, daß eine spontane Lieferung nicht möglich sei. Frühestens im August könne man mit einem neuen Fahrzeug rechnen, weil zur Zeit wegen der Wirtschaftskrise Kurzarbeit sei und man deshalb nicht schneller liefern könne.

So ein Schwachsinn.

Dieses Beispiel zeigt, daß viele Betriebe das Gelaber um die Wirtschaftskrise nutzen, um krisenunabhängig an der Renditeschraube zu drehen und noch auf Kosten der Allgemeinheit ein paar Steuermillionen mitzunehmen. Wenn es mir als Unternehmen schlecht geht, dann baue ich doch keine Lieferzeiten von drei Monaten auf, sondern liefere sofort. Was meint: sofort. Jede Krise ist auch eine Chance für Dienstleister. Das scheint dieses Unternehmen noch nicht begriffen zu haben.

13 Gedanken zu „Lieferzeit wegen Wirtschaftskrise“

  1. das sehe ich echt genauso
    es ist schon ein absoluter Witz wenn ich z.B. von VW (das war Anfang März) dass sie jetzt für den neuen Golf eine Lieferzeit von bis Anfang August haben. Aber dann Kurzarbeit und kräftig Steuermillionen einstreichen.
    So etwas macht mich echt ein wenig wütend. Jeder andere Dienstleister muss auch schauen das er ohne Steuergelder klar kommt. Ich finde gerade in solchen Zeiten trennt sich in Sachen Qualität die Spreu vom Weizen…
    Viele Grüße
    David

  2. Moment! Kurzarbeit ist ein Prozess, der nicht mal eben ausgesetzt werden kann. Wenn das Unternehmen nicht genug Aufträge hat wird Kurzarbeit beantragt. Dann wird von der Arbeitsagentur geprüft (!), ob das Unternehmen nur gerade eben wegen der wirtschaftlichen Gesamtlage oder eben aus strukturellen Gründen nichts mehr verkaufen kann.
    Wird festgestellt, dass das Unternehmen im Grunde gesund ist und das Geschäftsmodell stimmt und es aus eigener Kraft wieder aus der Scheiße rauskommt dann wird die Kurzarbeit genehmigt. Darüberhinaus müssen noch andere Randbedingungen erfüllt sein, z.B. leiharbeiter runterfahren etc.

    So, jetzt hat MAN als Kurzarbeit angemeldet. Wenn nun ein Auftrag reinkommt muss dieser eben mit den momentan anwesenden „Ressourcen“ abgearbeitet werden. Einfach mal so Mitarbeiter reinholen geht nicht. Da riskiert die Firma fette Strafzahlungen. Ein Bekannter von mir berichtete, dass sogar die Homeofficeaccounts in seinem Unternehmen streng überwacht werden, denn wenn ein MA die Mails checkt etc. kann die Arbeitsagentur schon einen Verstoß erkennen.

    Desweiteren sind ja auch die Zulieferer größtenteils in Kurzarbeit gegangen, sprich es ist gar nicht so leicht, die Teile die zum Bau nötig sind aufzutreiben.

    Nach Eurer Theorie sollte also das Unternehmen mit 100% der Kapazität weiterlaufen und darauf warten, dass ein Auftrag über einen LKW reinkommt um den möglichst schnell liefern zu können. Irgendwie seltsam, findet ihr nicht?

    1. Wenn sich in meinem Unternehmen eine Lieferzeit von drei Monaten aufgebaut hat, dann muß ich mir überlegen, ob die Kurzarbeit in dieser Form sinnvoll ist, ja. Tatsächlich ist es doch so, daß ja nicht die ganze Firma Kurzarbeit machen muß, es ist durchaus möglich, dies nur auf Teile zu beziehen. Die Herrschaften von der Arbeitsagentur sind da so unflexibel nicht.

      Ich fände es obskur, wenn ansteigende Nachfrage nicht bedient werden könnte, weil Kurzarbeit als Bremse wirkt.

      In diesem Fall: es muß ein neuer Wagen her. Jetzt. Im Zweifelsfall bedeutet das eine Lösung, die dem Umsatz des Herstellers schadet.

  3. Und was ist, wenn die Lieferzeit innerhalb 2 Tage befriedigt wurde? Dann sitzen die Mitarbeiter dumm rum, produzieren auf Halde und binden so Kapital. Demnach auch keine Lösung.

    Wenn die Nachfrage wirklich steigt, weird die Kurzarbeit auch wieder ausgesetzt. Bei BMW so passiert und auch Opel hat die Kurzarbeit dank der Abwrackprämie eindämmen können. Aber wegen einem LKW wird das nicht passieren.

    Nachfragespitzen werden eben in die nachfolgenden Perioden verteilt. Produktion und Logistik, Grundlagen ;-)
    Für den Kunden ist es mit Sicherheit ärgerlich. Aber für das Unternehmen einfach eine Möglichkeit, qualifizierte Mitarbeiter zu halten. Denn ohne Kurzarbeit würden schon ettliche Mio Mitarbeiter auf der Straße stehen.

  4. Christof hat meine volle Zustimmung! Natürlich ärgert sich der Kunde und kann es einfach nicht fassen. Mit Gemeckere aber ist keinem gedient, auch nicht den Menschen, die zu Kurzarbeit verdonnert wurden.

    1. Vatern, bitte stelle Dir vor: Dein Schleifautomat im Betrieb ist kaputt, nicht mehr zu reparieren und Weco würde Dir sagen, daß sie ein Ersatzgerät erst im August liefern können, weil sie gerade Kurzarbeit machen. Du würdest kotzen.

        1. Das ist so nicht korrekt. Da gibt es Lieferzeiten zwischen 1 und 14 Tagen. Es ist halt nur ärgerlich, weil Du in einer Spedition gerne nur Fahrzeuge eines Herstellers hast. Das macht die Wartung für Dich deutlich einfacher.

              1. Ah, ich verstehe. Das überrascht micht, zugegeben. Hmm, da muss sich die Firma eben kreativ verausgaben und eine Lösung bis mitte August suchen. Evtl mit MAN zusammen…

  5. Das kann man aber auch mal aus der Warte einer gesunden Firma sehen, die keine Kurzarbeit angemeldet hat.
    Man bezahlt den Mitarbeitern der Firmen, die Kurzarbeit angemeldet haben, Kurzarbeitergeld, damit diese Firmen entlastet werden. Das wird von der Arbeitsagentur bezahlt(also von der Allgemeinheit = auch du und ich). Da werden also die Fehler einer Firma/Branche von uns allen finanziert, weil diese ein offensichtlich nicht krisentaugliches Geschäftsmodell ausweisen können oder wollen! Es geht den Firmen nicht drum, daß die Arbeitnehmer versorgt sind, sondern, daß Know How in Form der Mitarbeiter an die Firma gebunden wird. Würde es kein Kurzarbeitergeld geben, hätten die das Risko, keine Mitarbeiter auf dem Markt zu finden, die sich mit deren Maschinen und Prozessen auskennen, falls die Lage besser wird.
    Ich finde, man muss den Stress, die Mehrarbeit und vor allem die Mehrkosten sehen, die durch diesen Lieferengpass entstehen. Das ist wirklich sehr ärgerlich. Vor allem wenn man Aufträge hat und diese nicht recht bedienen kann, weil Firmen Ihre Personalkosten durch Kurzarbeit senken. An dieser Stelle sei noch kurz an die Rekordergebnisse der letzten Jahre erinnert…
    Ach ja und die Kreativabteilung muss wohl auch in Kurzarbeit sein. Denn gerade sind die Kollegen mit dem Stern deutlich näher an einer vorrübergehenden Lösung dran…

    Lg

    Floh

  6. Als Lösung bietet sich vielleicht zunächst http://www.ryll.com/ oder http://www.rock-n-roll-trucking.de/ an. Zumindest mit letzteren arbeitete, eine Zeit lang, Rock Service.

    Nebenbei gesagt fahre ich regelmäßig am 3-Buchstaben-Werk in Salzgitter vorbei und da stehen doch mind. 15 Trucks links neben dem Eingangsbereich, die scheinbar auf Käufer warten… Sie sehen frisch produziert aus.
    Ich vermute aber, dass diese aus einer anderen Serie kommen. Weil da stehen regelmäßig immer nur Sattelschlepper, LKW´s oder Busse einer Serie, naja der Nachteil einer Serienfertigung. Es viel auch meinen Sohn auf, 6 Jahre, der meinte, das wäre ja komisch, die bauen immer nur eine Sorte von Autos …
    Und ich kenne in meinen näheren Bekanntenkreis einen Industriellen Zulieferer, der seinen Millionen mit den günstigsten Preis scheffelt, der von heute auf morgen feststellte, das er Kurzarbeit anmelden musste. Merkwürdige kürzeste Zeit nach den ersten Medienberichten. Dessen Auszubildender 20 Überstunden leisten müssen, damit sie die Stunden abbummeln dürfen. Überstunden müssen Sie nehmen – und zwar in der Serienfertigung. Der beklagt, dass Auszubildende leider nicht in Kurzarbeit gehen dürfen. Der Unternehmer beschäftigt mehr russischsprachige Einlegekräfte zu günstigen Lohn als Facharbeiter. Trotz dem seien die Lohnnebenkosten zu hoch. (Die Herstellungskosten sind extrem gering (der Maschinenstundensatz war höher als die Fertigungslohn)).

    Der trotz angemeldeter Kurzarbeit und Krise erstmal in den Urlaub fährt – und der vorletztes Jahr verlautbarte, dass er, egal was passiert, für sein Leben und das seiner Kinder ausgesorgt hat.

    Das ist ein weitere Grund, warum ich die Probleme von Firmen wegen denen sie Kurzarbeit meldeten nicht abnehme.

    Ich erinnere mich an (Link vergessen) VW, die durch Kurzarbeit einige Millionen erwirtschafteten und jetzt wieder gut dastehen. Es erinnert doch sehr deutlich an Sozialschmarotzertum.

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