Bitteres Ende einer Party

Bei der heutigen Loveparade in Duisburg, zu der ich eher zufällig nicht zum schauen gefahren bin, gab es Stand jetzt durch eine Massenpanik 15 Tote, weitere etwa zehn Teilnehmer konnten wiederbelebt werden. Das ist ein bitteres Ende dieser Veranstaltung, das sie in dieser Form ganz sicher nicht verdient hat. In den ersten Medien ist von einem „völlig überforderten Veranstalter“ die Rede. Nun. Ich war nicht da. Meine Meinung bilde ich mir aus zwei Berichten von mir persönlich bekannten Personen und aus meiner Erfahrung mit den zuständigen Behörden. Da sieht der Eindruck etwas differenzierter aus. Meine Erfahrung sagt mir, daß die Besucherleitung außerhalb des Festivalgeländes (dort entstand die Panik) nicht in meiner Hand liegt, sondern in der Hand von schwarzgewandeten Beamten und deren Einsatzleitern. Meine Bekannte berichten von „stoischer Polizei“, die erst gar nicht und dann sehr heftig reagiert. Zu denken gibt mir auch, daß die Einsatzleitung der Bahn für eine Stunde den Bahnhof komplett gesperrt haben soll. Das ist auf der einen Seite verständlich, denn die flüchtenden Zuschauer der Loveparade bewegten sich wohl auch in größerer Zahl in den Gleisanlagen in Richtung Süden. Auf der anderen Seite entstand so vor dem Bahnhof ebenfalls großes Chaos, das außer Kontrolle zu geraten drohte. Da wäre es ja sinnvoll gewesen, die Besucher erst mal im großen Bogen in Richtung Norden abzufahren, um den Druck abzubauen. „Hauptsache weg“ gewissermaßen.

Interessant finde ich in diesem Zusammenhang auch die sehr unterschiedlichen Zahlen in der Berichterstattung. Zwischen 500.000 und 1.400.000 Besucher sollen vor Ort gewesen sein.

Erschreckend ist der Gedanke, daß man zum Feiern fuhr und nun Tote nach Hause kommen. Für alle Angehörigen ganz bestimmt ein Albtraum. Ihnen gilt mein volles Beileid. Gerade junge Menschen zu verlieren erzeugt immer unfaßbares Leid.

Mein Mitgefühl gilt aber auch den Verantwortlichen dieser Veranstaltung, die jetzt wohl völlig fassungslos in ihren Büros oder „auf dem Feld“ ihre Arbeit machen. In den nächsten Tagen werden wir erfahren, warum es zu diesem dramatischen Zwischenfall kam. Ich kann mir vorstellen, daß die sehr eingeschlossene Situation auf dem Güterbahnhofsgelände dabei eine Rolle spielt; in Berlin war alles sehr offen, Flucht war jederzeit möglich. Aber das ist natürlich Spekulation.

Nachtrag 25.07.2010, 10:45: wenn man jetzt im Nachgang mitbekommt, unter welchen Voraussetzungen die Veranstaltung maßgeblich von städtischen Behörden geplant und genehmigt wurde, dann wird einem ja ganz schlecht. Ich hatte mir im Vorfeld keine Gedanken darüber gemacht (es war ja nicht meine Veranstaltung), aber es gab ja bereits Tage vorher recht eindeutige Hinweise und auch die Genehmigung scheint, nach allem was man in einschlägigen Foren lesen kann, nicht ganz den gültigen Vorschriften zu entsprechen. Ich bin sehr gespannt, wirklich sehr gespannt, wie weit die Staatsanwaltschaft da ermitteln wird und welche Personen letztlich verantwortlich sein werden.

9 Gedanken zu „Bitteres Ende einer Party“

  1. Moin Markus,

    wird die Planung der Zuschauerstroeme nicht in Zusammenarbeit mit dem Veranstalter und der Genehmigungsbehoerde (natuerlich in Zusammenarbeit mit der Polizei) durchgefuehrt?

    Und wer bei einer Planung (die Zahl wurde immer wieder auch vorher kommuniziert) von 1 Mio. oder evtl. mehr Zuschauern (die Zahlen der vergangenen LoPas waren ja aehnlich) ein derart kleines (nach mehreren Aussagen fasst das Gelaende nur die Haelfte) und noch dazu abgesperrtes Areal als Veranstaltungsflaeche genehmigt, sollte sich jetzt einigen deutlichen Fragen gegenuebersehen.

    Das Berlin-Vergleich ist sehr gut, vor Jahren kam das thema in Berlin auch schonmal auf, da kam sinngemaess „die koennen ja in alle Richtungen weg, wir haben keine Zaeune“ – das hat sich heute indirekt auf traurige Weise bestaetigt.

    Eine derartige Grossveranstaltung so eingezaeunt zu betreiben, halte ich aber per se nicht fuer sinnvoll – auch wenn Hamburg das schon mehrfach aehnlich vorgemacht hat, wenn auch mit dann *deutlich* weniger Besuchern…

    Hiffen wir auf eine ‚Aufklaerung‘, aber ich fuerchte das wird aehnlich dem Stadtarchiv- und diverser ICE-Unfaellen im Endeffekt wieder ohne einen wirklich Schuldigen ausgehen :(

    1. Die Planung wurde vom Veranstalter zusammen mit den Behörden und mit einem namhaften Gutachter gemacht. Bei der Planung wurde (angeblich) das Gelände auf 300.000 Besucher begrenzt. Gerechnet wurden mit 1.000.000 Besuchern in der Stadt. Bei der letzten Loveparade in Dortmund waren 1.600.000 Besucher.

      Da gibt es einige Fragen. Einige.

      1. „Ein internes Verwaltungsdokument zeigt nach Informationen von SPIEGEL ONLINE gravierende Mängel beim Sicherheitskonzept für die Love Parade. Demnach war das Gelände in Duisburg für 250.000 Menschen freigegeben – dabei rechneten die Veranstalter mit deutlich mehr als einer Million.

        Hamburg – Das Schriftstück vom 21. Juli 2010 mit dem Aktenzeichen 62-34-WL-2010-0026 umfasst gerade einmal zwei Seiten, „Genehmigung einer vorübergehenden Nutzungsänderung“ prangt in gefetteten Lettern und bestem Behördendeutsch auf der ersten.

        Und dann folgen in dem Schreiben an die Berliner Lopavent GmbH, die Veranstalter der Love Parade, erstaunliche Passagen. So befreit der Sachbearbeiter der Unteren Bauaufsicht im Duisburger Amt für Baurecht und Bauberatung die Organisatoren von der Vorschrift, die vorgeschriebenen Breiten der Fluchtwege einhalten zu müssen. Gleichzeitig verzichten die Beamten großzügig auf „Feuerwehrpläne“.


        Dafür geben sie den Ausrichtern der Mega-Party klipp und klar vor: „Die maximale Personenzahl, die sich gleichzeitig auf dem Veranstaltungsgelände aufhalten darf wird (…) auf 250.000 Personen begrenzt.“

        aus Spiegel Online v. 25.7.2010

        Das hat doch der „Sachbearbeiter der Unteren Bauaufsicht“ sicher nicht aus freier Entscheidung gemacht…

        1. | Das hat doch der “Sachbearbeiter der Unteren Bauaufsicht” sicher nicht
          | aus freier Entscheidung gemacht…

          naja, aber wenn sein Scheff doch uuunbeding^Wsooo gern die Veranstaltung in der Stadt haben moechte, dann der kleine Sachbearbeiter diesem Wunsch doch nicht entgegenstehen… Ok, jetzt isser vllt. ’ne arme Sau, aber ein Bauernopfer braucht’s doch…

          Wie schon anderswo geschrieben – da werden max. Bewaehrungsstrafen bei rumkommen, und dann Business as usual. Aber wehe, Du parkst falsch, dann geht’s u.U. direkt in’n Knast, und zwar nicht ueber Los :(

    1. Ich habe mittlerweile mit sechs Menschen gesprochen die vor Ort waren. Zwei Berufskollegen und vier Besuchern. Danach ist mein Eindruck, daß mich noch ganz andere Dinge irritieren. Wie schon geschrieben bin ich sehr gespannt, was am Ende der staatsanwaltlichen Ermittlungen steht und was dann später auch an Urteilen herauskommt. Wenn der Vorgang auf konsequente Ermittler und Richter stößt, dann rumpelt das hier noch richtig.

      1. Wünschenswert wäre es schon, daß die Ergebnisse der Untersuchungen zu solchen Ereignisse publik gemacht werden. Aber wer glaubt wirklich daran?
        Täuschen und Vertuschen.

        Gibts denn Ergebnisse zu dem Vorfall in München?

        1. Haha, ja, die gibt es: die Haftpflichtversicherer mauscheln unter sich und haben kein Interesse an einer abschließenden richterlichern Beurteilung.

          Seit dem habe ich übrigens alle Zweifel an Gutachtern. Was ich da an Gutachten gelesen habe ist schon sehr lustig. So behauptete einer (ein vereidigter), die VStättVO gelte nur bei Anwesenheit von Publikum und nicht bei Auf- und Abbau. Da werde ich mich im Zweifelsfall mal drauf berufen. Das Gutachten habe ich schön aufgehoben.

        2. „Täuschen und vertuschen“ scheint tatsächlich zu laufen. Oder, wie es an anderer Stelle genannt wird: „Aktion Staubsauger“. Interessanterweise sind bei der Duisburger Polizei ganz aus Versehen Planungsunterlagen vom Server verschwunden. Erstaunlicherweise auch (natürlich auch ganz aus Versehen) aus den eMail – Accounts von Beamten. Das stinkt doch alles bis zum Himmel.

          Da kann der Bundespräsident „lückenlose Aufklärung“ fordern und der Duisburger Oberbürgermeister es natürlich auch versprechen, es wird immer eine leere Worthülse bleiben. Daß bei der Polizei ganz offensichtlich gesäubert wird ist eine Schweinerei, die allein schon Köpfe fordern müßte.

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