Liebe und Politik

Als ich letzten Montag aus Sopot zurückkam, sah ich am Abend Ausschnitte der Trauerfeier von Loki Schmidt. Diese Trauerfeier und vor allem das Bild des weinenden, sichtbar am Boden zerstörten Helmut Schmidt läßt mich seit dem nicht mehr los.

Da sind zwei Menschen, nach außen hin kühle, nüchterne, abgeklärte, unsentimentale Hanseaten, die sind seit 68 Jahren miteinander verheiratet und seit 80 Jahren miteinander verbunden. Sie haben einander versprochen, sich nicht im Stich zu lassen, komme, was da wolle und solle. Sie halten dieses Versprechen so gut sie können und am Ende, nach 68 Jahren Ehe, steht immer noch Liebe. Dieses Paar zeigt uns unsere billige Verlogenheit, zeigt uns, wie einfach wir uns es oft machen und wie viel wir dadurch verlieren.

„Ich muß mich einfach mehr selbst verwirklichen“ sagen wir manchmal, wenn wir uns trennen. Wenn ich auf das Ehepaar Schmidt schaue, dann wird mir klar, wie lächerlich ein solches Argument ist. Keiner kann sagen, daß sich nicht beide innerhalb ihrer Beziehung hätten verwirklichen können. Ich möchte sogar so weit gehen und behaupten, daß beiden in den entscheidenden Momenten vielleicht sogar die Kraft gefehlt hätte, wäre da nicht eine starke Basis, ein solider Rückhalt gewesen, auf den sie vertrauen konnten. Erst die Bereitschaft, sich auch auf den anderen einzulassen, ermöglichte die Selbstverwirklichung. Ich bin dabei nicht so naiv zu glauben, daß zwischen Loki und Helmut immer nur Friede, Freude, Eierkuchen geherrscht hätte; dazu sind oder waren beide zu streitbare Menschen. Aber Respekt und eben die Gewißheit, nicht im Stich gelassen zu werden, das war wohl immer da.

Nun werden vielleicht einige einwenden, daß die Zeit, die Gesellschaft sich gewandelt habe — das ist aber, mit Verlaub, Quatsch. Die Gesellschaft, das sind wir. Wir alle, Ihr, Du, ich. Natürlich haben wir uns gewandelt. Aber wir sind letztlich nicht freier geworden, sondern nur feiger. Und wir betrügen uns mit dem kleinen, schnellen Glück, weil wir den Mut nicht haben, verbindlich für das große Glück zu kämpfen. Uns fehlt Größe.

……

Manche bedauern, daß die Zeit der großen Politiker vergangen sei. Menschen wie Adenauer, Strauß, Brandt, Wehner, oder eben Schmidt. Heute haben wir nur noch gesichtslose, phantasielose Fatzken, viele davon Huren der Lobbyisten. Langeweiler, die den Kontakt zum richtigen Leben oft verloren haben. Letztlich sind sie aber nur Spiegel unser selbst. Genauso wie wir in unserem Privatleben oft den Weg des geringeren Aufwands gehen und uns davor scheuen, echte Verantwortung zu übernehmen, genauso ist heute die Kaste der Politiker eben nicht mehr bereit, echten Einsatz zu zeigen und geht den Weg der persönlichen Machtbefriedigung, anstatt wirkliche Verantwortung für diesen Staat zu übernehmen. Eigentlich dürfen wir es nicht übelnehmen, so lange wir selbst vor Verantwortung zurückschrecken.

……

All diese Gedanken gehen mir nun seit einer Woche durch den Kopf. Es ist Zeit, nicht einfach aufzugeben, kleinbei zu geben, den einfachen Weg zu gehen, sondern statt dessen abzuwettern und sich zu bekennen. Klar zu sein. Sich selbst und eben auch diese Gesellschaft wieder zu wandeln zu einem lebens- und liebenswerten Ort. Auch wenn es im Zweifelsfall mehr Arbeit bedeutet.

Danke Loki & Helmut, daß Ihr mich — neben anderen — daran erinnert habt.

3 Gedanken zu „Liebe und Politik“

  1. Respekt vor Deinen, durch das Schmidt´sche Vorbild losgetretenen Emotionen und hoffentlich eingeleiteten Konsequenzen.
    Du hast recht, Niemand traut sich mehr, zu einem Problem oder überhaupt einem Thema verbindlich Stellung zu beziehen, weil die Konsequenzen unabsehbar werden. Aus einer harmlosen öffentlichen Meinungsäußerung wird ein Skandal, Du riskierst Job, Reputation und im Extremfall Dein Leben. Die medialen Heckenschützen, Fallensteller und Brandstifter leisten zusammen mit den deutschen Lemmingen ganze Arbeit.
    Das neueste Beispiel von öffentlichem Übereifer ist der „Wutausbruch“ von Herrn Schäuble, der meiner Meinung nach nur einen Mitarbeiter maßregelte, weil der seinen Job offenbar nicht gemacht hatte. Ich will das nicht diskutieren, aber es gibt Leute, die dafür den Rücktritt Schäubles fordern!
    Vielleicht ist so das „Jein“ vor dem Traualtar zu verstehen – und auch die auffällige Zurückhaltung Deiner vielen, sonst so kommentarfreudigen Blogleser bei diesem Beitrag.
    Warum, weiß ich nicht, aber es fällt mir grad Mary Roos ein: ihr Lied zum Grand Prix „Aufrecht gehn“
    Geeenau!

  2. Na dann mal aufrecht….
    Mir zeigt dieses Paar nicht meine billige Verlogenheit. Da haben sich zwei wache, intelligente, geistreiche, gleich große Menschen gefunden, die sich ziemlich ideal ergänzt haben. Und die sich nicht verbogen haben. Und die ihre Grenzen kannten. Und wahrscheinlich die des Anderen. Und eine Art von Bescheidenheit und Nüchternheit.
    Einer davon ist gestorben, der andere trauert echt und wahrscheinlich trostlos. Und viele trauern mit ihm.
    Das zu sehen macht fassungslos. Denn da ist eine Person gegangen, die viel wahrlich liebenswürdiges hatte. Und wenn man sich so umschaut und sich fragt, wer ist denn noch so ähnlich…?, da hat man erstmal niemand vergleichbares vor Augen.
    Aber das heißt für mich nicht, dass alle anderen verlogen sind oder es sich zu leicht machen.
    Ich vermisse Politiker wie Helmut Schmidt einer war, aber ich selbst hätte, auch bei allem guten Willen, nicht mit ihm verheiratet gewesen sein können und wollen. Vom Altersunterschied mal abgesehen.
    Und hätte Helmut nicht Loki gehabt, dann wäre er vielleicht auch inzwischen mehrfach geschieden.
    Und wäre Helmut nicht Kanzler gewesen, dann wüssten wir vielleicht gar nichts von den Zweien, weil die Medien uns nichts von ihren Leben verkündet hätten.

    Es ist gut wenn es gut ist.
    Wenn es nicht gut ist, dann ist es gut, wenn man auseinander gehen kann.
    Viele Paare der Generation meiner Großeltern sind noch mehr oder weniger traut verheiratet, aber manchmal um welchen Preis? Scharen von Therapeuten verdienen an deren Kindern und Kindeskindern.

    Vielleicht ist das Problem unserer Generation, dass uns oft eine gewisse Bescheidenheit fehlt und wir eigentlich alle schön, reich und berühmt sein wollen, müssen, sollen, … und haben wollen.
    Vielleicht haben wir auch noch ganz andere Probleme.

    Aber Aufrecht sein finde ich sonst grundsätzlich ganz in ordnung ….

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