Die Versammlungsstättenverordnung gehört ja zum täglichen Brot, wenn man verantwortlich in meinem Beruf arbeitet. In den letzten Jahren rückte sie mehr und mehr in den Focus, nachdem sie früher zwar auch für alle galt, aber in der Praxis doch nur eher im Theaterbereich Anwendung fand. Im Rahmen der Vorbereitungen zur Fußball – WM 2006 gab es sogar fast sowas wie bundeseinheitliche Regelungen, aber leider zerfällt die Situation wieder in Vorschriften der Bundesländer, die nicht immer kompatibel miteinander sein müssen — von der absolut idiotischen Situation im Bundesland Berlin mal ganz zu schweigen. Das macht die Arbeit für tourende Produktionen nicht immer einfach.
Manchmal tut es ganz gut, sich einfach mal hinzusetzen und sich alles noch mal in Ruhe durchzulesen. Im Streß des Alltags vergißt man manchmal etwas, auch ändern sich die Gesetzte. Dafür eignet sich ganz hervorragend der Praxisleitfaden Versammlungsstättenverordnung, in dem der Gesetzestext nicht nur einfach abgedruckt ist, sondern Paragraph für Paragraph durchgegangen, kommentiert und in den Bezug zu anderen Gesetzen gesetzt wird. Gerade das schafft oft den erhellenden Moment. So können die Regelungen der VStättV manchmal gar nicht ausreichend sein, da diese in erster Linie den Schutz der Besucher behandelt. Für Arbeitende können aber gerade diese Besucher auch eine Gefährdung darstellen und so fordert beispielsweise die Arbeitsstättenverordnung Fluchtwege für Mitarbeiter unabhängig von denen der Besucher, weil flüchtendes Volk ein unberechenbares Risiko für Mitarbeiter darstellt; wie wahr.
Auch wird man feststellen, daß ein paar liebgewonnene Dinge der Vergangenheit zukünftig nicht mehr so ohne weiteres funktionieren werden, weil auch die Behörden irgendwann bemerken, daß Vorgaben härter geworden sind. Da ist es hilfreich, sich rechtzeitig darauf einzustellen, um vorbereitet zu sein und dann den Beamten goldene Brücken bauen zu können, anstatt herumzurudern.
Klar, so ein Buch ist kein packender Roman. Trotzdem nahm ich mir den Praxisleitfaden am vergangenen Wochenende am Sylter Strand liegend vor und es war gar nicht sooooo dröge. Ich wurde jedenfalls an ein paar Dinge erinnert und habe auch neue Erkenntnisse gewonnen, was das Arbeiten für mich wieder etwas sicherer machen wird … auch und gerade als Verantwortlicher. Ich kann das Buch also sehr empfehlen.
Was hatte dich denn am meisten geschockt?
Ich kenne das ja, ab und zu vergisst man dann das ein oder andere und liest dann das gesetz und denkt „oh shit, das hatte ich ja ganz vergessen“?
Extrem ärgerlich ist es, daß bei Bestuhlungsplänen und Nutzungsänderungen nur noch Vorlageberechtigte (also Architekten und Bauingenieure) einreichen dürfen — es sei denn, man handelt beim Bauamt eine Duldung und keine Genehmigung heraus.
Auch etwas ärgerlich finde ich die recht harte Interpretation der Autoren, daß man auch bei back to back – Tourproduktionen alle Leercases aus dem Veranstaltungsraum entfernen muß, daß sie nicht zum Tagesbedarf zählen. Das interpretiert Michael Ebner in seinem „Sicherheit in der Veranstaltungstechnik“ (ein Buch, das ich hier auch noch in näherer Zukunft vorstellen werde) etwas entspannter. Er empfiehlt, diesen Punkt im Rahmen der Gefahrenanalyse je nach Show zu entscheiden, was ich für wesentlich praxisnäher halte. Das Blöde ist halt, daß der Praxisleitfaden einfach nur durch die Tatsache, daß dieser Punkt dort so hart kommentiert wird, im Zweifelsfall schon Fakten für ein Gericht schaffen kann. Das sollten sich Autoren manchmal einfach etwas bewußter machen.
Etwas verdrängt hatte ich die Schwierigkeit der juristisch einwandfreien Multicore – Führung in einigen Häusern. Gerade in Theatern werden die Kabel ja sehr gern mit Haken oberhalb der Publikumstüren verlegt. Das ist problematisch, da die Kabel nicht unbrennbar sind, die Türen aber Notausgänge. Auf der anderen Seite gibt es zu diesem Weg in manchen Häusern einfach keine Alternative.
Ich hab am Freitag meine Abiverleihung und muss da wohl auch gegen einige sachen verstoßen. Aber ich sehe bei Veranstaltungen von 300-500 leuten beim besten willen nicht das Problem einfach ein 3mm hohes Flachkabel einfach unten mit 20cm breitem Spezial-Gaffa bei der Schwelle fest tapen.
Dort erwarten die leute im falle eines Falles doch am ehesten ein Kabel…
manche solche Regeln sind einfach nur total übertrieben und gerade bei kleinen Veranstaltungen quasi nicht durchführbar.
Natürlich achtet man darauf, dass an nicht fahrlässig handelt…