Heute war hier in Hamburg Tag der offenen Tür bei Gardemann, einem Verleiher von Arbeitsbühnen. Neben der Hauptattraktion, einem 100m hohen Steiger, gab es noch ein paar andere interessante Dinge. Der komplette Fuhrpark konnte besichtigt und natürlich auch ausprobiert werden. Egal ob Cherrypicker oder Scherenlift, ob Anhänger oder Selbstfahrer, ob elektrobetrieben oder Dieselaggregat. Und was Ihr als abgesperrte Hütchenstrecke unten im Bild seht, war eine Rennstrecke für kleine Elektroscherenlifte, auf der die ganze Geschicklichkeit gefordert war, wollte man mit ’nem Siegerschampus nach Hause geh’n.
Als ich ankam war das Wetter erst noch ziemlich trübe. Hochnebel meldeten die Nachrichten. Also eine gute Gelegenheit, mir einen Vortrag für Entscheider anzuhören, in dem es im Wesentlichen um Sicherheitsvorschriften, Gefährdungsanalysen und richtige Unterweisungen ging. Da traf dann die BGR500, eine berufsgenossenschaftliche Vorschrift, auf die staunenden Münder der Zuhörer. Ehrlicherweise auch bei mir. Darin steht zum Beispiel, daß es bei Angestellten einen schriftlichen Arbeitsauftrag geben muß, wenn jemand eine Arbeitsbühne fährt. Und daß es eine richtige Schulung geben muß mit schriftlichem Zertifikat; nicht die fünfminütige Erklärung, die man bei der Übergabe vom Verleiher bekommt, sondern eine fundierte Unterweisung, die auf den Arbeitsbereich zugeschnitten sein muß. Jedes Jahr. Interessant. Macht kein Mensch. Jedenfalls nicht in meinem Beruf. Da werde ich mich doch mal kümmern.
Nach dem Vortrag schien dann auch die Sonne, also der richtige Zeitpunkt, mal mit dem großen Steiger bis ganz nach oben zu fahren. Aus meinem Statikkurs weiß ich noch, daß es gut ist, wenn sich Träger federnd biegen. Von daher war ich nicht beunruhigt, als ich obiges Bild vor Augen hatte. Das Steigerflaggschiff erreicht eine Gesamthöhe von 104m und bei einer Höhe von 16 bis 64 Metern eine Ausladung von 40m. Das hieße, daß ich einen Durchmesser von 80m bearbeiten kann, ohne daß ich den Steiger bewegen muß. Vom Zeitpunkt des Eintreffens des Steigers auf einer Baustelle bis zur Einsatzbereitschaft benötigt man 30 Minuten und ist damit locker deutlich schneller als jeder Gerüstbau. Genau deshalb ist unter’m Strich der Einsatz auch rentabel, obwohl man mit allen Nebenkosten schon von über 5.000,00€ ausgehen muß. Pro Tag.
Ihr wißt, daß ich immer auch Panoramen mitbringe, heute den über meine Wahlheimat Hamburg. Wie immer kann man das Bild größerklicken. Und weil ich Hamburg wirklich mag, gibt es heute neben dem meist 3000 Pixel breiten Größerklickbild auch mal die über 7500 Pixel breite extragroße Ausführung. Oben am höchsten Punkt herrschten vielleicht 2,5 Bft.; bis zu 7 Bft. ist der Betrieb zugelassen. Das ist mal amtlich. Erstaunlich war, daß auch bei größter Ausladung nichts ruckelte oder wackelte, sondern daß trotz der großen Höhe alles sehr smooth ging. Beachtlich.
Interessant auch diese Ansicht: die Zugmaschine des Steigers dient als Kontergewicht und hängt im Steigerbetrieb völlig frei über dem Boden. Das geht natürlich nur, weil der Zapfen, mit dem der Hänger an die Zugmaschine gekoppelt wird, kein Standardmaß hat, sondern verstärkt ist.
Auch die Werkstatt konnte besichtigt werden. Hier werden die Steiger nach einer Vermietung alle gewartet, bevor sie wieder weitervermietet werden. Insgesamt ein interessanter Vormittag.
Also, das mit der Schulung und Zertifikat für die fahrbaren Arbeistbühnen war mir jetzt auch neu.
Und das man einen schriftlichen Arbeitsauftrag braucht… ohje.
Nie gehabt, nie gesehen. Die BGR500 muss ich mir mal zu Gemüte führen.
Ich gehe mal davon aus, das im Fall der Fälle sich auf diese BGR500 berufen wird ?!
Soll heissen, bei einem Arbeistunfall mit der Bühne ?
Jupp, so sieht’s aus. Ganz sicher dann, wenn bei einem Unfall die Berufsgenossenschaft ins Spiel kommt. Nun sind die meisten in meiner Branche ja Freelancer und oft nicht in der BG; da würden diese Vorschriften also erst mal nicht gelten. Da aber auch bei privatrechtlichen Auseinandersetzungen nach dem „Stand der Technik“ geurteilt wird, kommen sie dann hintenrum doch wieder ins Spiel. Ich werde in den nächsten Wochen mal so eine Schulung machen und dann hier Genaues berichten.
Sehr schönes Panorama!
Ich glaub ich muss auch mal nach HH. Eine sehr schöne Stadt, wie ich das so sehe!
Kann das sein, dass das mit der BGR500 wieder typisch deutsch ist? Oder gibts das in den anderen (europäischen) Ländern auch?
Nein, das ist tatsächlich nicht typisch. Ich weiß, daß in England beispielsweise es einen richtigen „Führerschein“, wie hier in Deutschland den Staplerschein, gibt, den Du zum Führen von Arbeitsbühnen benötigst. Und ich bin mir sicher, daß sowas auf uns im Rahmen der EU auch zukommen wird, was ich auch völlig ok. finde. Es passiert viel schneller was, als man sich das vorstellt.
Ich habe das gleiche am nächsten Tag in Bremen mitgemacht. Ein unvergessliches Erlebnis!! Aber 100 Meter sind schon richtig hoch!! Erst wollte ich nicht, war aber hinterher unheimlich stolz auf mich. Genial fand ich die Drehung um 180° in 60 Metern bei ausgefahrenen 40 Metern. Wahnsinn.
Einziges Manko in Bremen war das Wetter trüb und kalt.
Ich selbst finde ja, daß es den Braten dann auch nicht mehr Fett macht, ob man jetzt 30 oder 100m hoch ist. Tatsächlich habe ich aber auch trotz eines Unfalls keine Höhenangst. Die Kreiselfahrt gab es in Hamburg übrigens noch nicht. :-( Aber vielleicht war’s bei Euch wegen des Wetters nicht so voll und darum hatten sie mehr Zeit, auch solche Spiele zu machen.
Auf der Ruthmann 100m Bühne war ich vor sechs Jahren auf der Bauma in München. Ist sicher nix für jeden, da mit hoch zu fahren. Einziges Manko (jedenfalls damals) ist, dass man für die Fahrt mit der Bühne eine Sondergenehmigung braucht und dann nur nachts fahren darf, wegen Überlänge oder Gewicht oder sowas. Zur gleichen Zeit hatte Wumag eine 88m Bühne rausgebracht, die diese Einschränkung nicht hatte. Aber auch die 88m hatten mir gereicht.
Es ist richtig, daß Du für die Bühne ’ne Genehmigung brauchst, allerdings hat die 88m – Bühne eine wesentlich kürzere seitliche Reichweite; man muß halt immer sehen, was man braucht.
Wir arbeiten auch viel mit großen Steigern, auch solche Höhen sind uns vertraut.
Der Preis ist aber ganz schön heftig, da eine Kran-Stunde meines wissen,s günstiger ist.
Ich möchte mal wissen, wie die Leute auf den hohen Preis kommen.
Gruß HKS