Seit dem 01.04. bin ich ja gar kein Freelancer mehr, sondern Angestellter; trotzdem erreichen mich regelmäßig Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz. Solche Bewerbungen bringen mich immer wieder zum Staunen. Wie kommt jemand darauf, sich bei mir zu bewerben ? Bei einem Freelancer, also einem Einmannbetrieb, der nichts anderes hat als sich selbst. Ich fahre hauptsächlich Tourneen, bin an gut 200 Tagen im Jahr nicht zuhause. Da ergibt sich die Antwort auf solche Briefe ja von ganz allein: Nein, ich werde nicht ausbilden. Obwohl ich das als Meister durchaus könnte. Aber es fehlen mir trotzdem die Möglichkeiten. Und da sind wir an einem Kernpunkt: die Bewerber scheinen sich über die Betriebe bei denen sie sich bewerben nicht ernsthaft zu informieren. Das ist jedoch eine Falle. Es geht immerhin um eine Ausbildung, um die Zukunft. Die wollen sich also jedem dahergelaufenen Hanswurst anvertrauen, wenn er sie nur anstellt ? Keine gute Idee ! Selbst bei „großen Namen“ solltest man doch eine gewisse Skepsis behalten. Ein Beispiel: ein großes philharmonisches Haus mit Weltruf bildet zum Veranstaltungstechniker aus. Die Philharmonie, das klingt seriös, das sollte klappen. Tatsächlich ist das aber Bullshit. Man wird dort nichts weiter lernen, als Orchesterstühle und Notenpulte durch die Gegend zu schleppen. Denn mehr gibt es da nicht zu tun. Die Anstellung als Auszubildender ist also in diesem Fall pure Ausbeutung billiger Arbeitskräfte.
Falls also potentielle Lehrlinge für Veranstaltungstechnik den Text hier lesen sollten: bevor Ihr wild Bewerbungen in der Gegend herumschickt, schaut Euch die Betriebe erst mal an. Stellt Fragen. Fahrt hin und macht Euch ein Bild. Es gibt Unmengen von Kleinbetrieben, die zwar „ausbilden“, Euch aber gar nicht das Wissen mitgeben können, das Ihr in unserer immer noch durch Freelancer geprägten und extrem schnellebigen Branche braucht, um zu überleben. Insofern ist die recht neue Berufsausbildung eigentlich kontraproduktiv. Als ich vor vielen Jahren in diesen Beruf hineinroch, gab es keine Ausbildung. Man machte mal. Als Praktikant, als Stagehand, als mitreisende Stagehand, als Assistent, irgendwann als Techniker. Dadurch daß es nie Anstellungen gab, wechselte man Auftraggeber, Projekte, Bands und hatte so die Gelegenheit, seinen Job durch unterschiedlichste Situationen, „Ausbilder“ und Perspektiven wirklich zu lernen. Wenn man das Gefühl hatte, man komme irgendwo nicht weiter — egal, dann hat man halt in einem anderen Umfeld weitergemacht. Das war manchmal etwas mühsam, war aber schon in der Lernphase ein genaues Abbild des Berufs: projektbezogenes Arbeiten. Manchmal einen Tag nur, mal für ein paar Tage, oder sogar für eine ganze Tour, aber dann war auch Schluß und man mußte sich was Neues suchen. Heute hängt man in einem Ausbildungsbetrieb drei Jahre lang fest. Und wenn das ’ne Klitsche ist, die über das Schützenfest Kleinkleckersdorf nicht hinauskommt … nun, dann ist man maximal der Held von Kleinkleckersdorf. Darum ist es gerade heute um so wichtiger, sich wirklich über die Betriebe zu informieren.
Interessant finde ich es auch oft, daß dann Bewerber ihre Zeugnisse mitschicken, auf denen teilweise erhebliche unentschuldigte Fehlzeiten, oder aber ziemlich schlechte Noten in technischen Fächern stehen. Hm. Unzuverlässig und kein technisches Verständnis. Das sind ja hervorragende Voraussetzungen für den Beruf des Veranstaltungstechnikers.
Vor einigen Monaten hatte ich einen Kandidaten, der so gerade seinen Hauptschulabschluß geschafft hatte. Den rief ich an und erzählte ihm ganz ehrlich, warum er eigentlich mit so einem Zeugnis sich die Arbeit sparen kann, Bewerbungen zu schreiben. Wochen später meldete sich seine Mutter bei mir: sie sei mir so dankbar. Als Eltern habe man ja nichts zu melden und die Leute beim Arbeitsamt würden so etwas einfach nicht kommentieren. Nach meinem Telephonat sei ihr Sohn zwar ziemlich schockiert gewesen, aber jetzt würde er seine Mittlere Reife nachholen und sei das erste Mal seit Jahren sehr diszipliniert mit seiner Lernerei. Auch wenn ich ihn natürlich trotzdem nicht ausbilden kann, finde ich sowas aber gut und hoffe, daß er den Bogen noch bekommt.
Sehr schöner Text!
viel wahres drin!
Doch die gute Gegenfrage…. wer wie oder was sollte die Ausbildungsplatzsucher auf diese Suche vorbereiten?
Arbeitsamt / Eltern / Schule scheint ja nicht zu klappen – und warum nicht? Weil das eigene Interesse der Bewerber fehlt! Ich denke die Motivation ist das was fehlt….
Doch die gute Gegenfrage…. wer wie oder was sollte die Ausbildungsplatzsucher auf diese Suche vorbereiten?
Arbeitsamt / Eltern / Schule scheint ja nicht zu klappen – und warum nicht?
natürlich diese 3 sollen die Schüler auf ihr Berufsleben vorbereiten! Es soll nicht für die Schule gelernt werden, sonderm fürs Leben!!!!! Also lieber eine Wissenstunde weniger und dafür was für die tatsächliche Praxis.
Aber ich glaube nicht, dass viele Aussenstehende eine Ahnung haben was wirklich bei einer Tätigkeit (habe bewußt nicht Beruf oder Job geschrieben!!???
Was sehen die Jugendlichen bei
Automechaniker??? PS-starke Autos, Chrom, Glanz??? oder Dreck, Lärm, Zugluft???
Veranstaltungstechniker??? Stars, Show, Rampenlicht??? oder blöde Arbeitszeiten (jedenfalls zu Freunden, die nicht in dieser Branche sind), warten, durch die Gegend fahren????
Jedenfalls wäre ein Schnupperpraktikum immer ratsam!!!!!
Und Markus, ich habe Handwerksmeister über die Leistungen der Realschulabgänger jammern hören, die lieber jemand mit gutem, qualifizierten Hauptschulabschluß nehmen würden.
Tatsächlich ist der Schulabschluß mir egal. Wenn die beste Note jedoch eine drei ist und gerade die relevanten Fächer eher mit einer vier beurteilt wurden, dann ist das doof. Schlecht sind auch über 50 unentschuldigte Fehlstunden. Damit muß sich keiner bewerben. Der erwähnte Schüler macht jetzt seinen Realschulabschluß nach, um ein vorzeigbares Abschlußzeugnis zu haben — das ist doch klasse.
ähm… entschuldigung. Wenn ich einen Beruf erlernen möchte möchte ich den erlernen, weil ich in diesem Tätigkeitsbereich vor habe meine Lebensweichen in die Richtung zu stellen. Bedeutet wennich elektriker lerne will ich nicht Fliesenleger werden. Das bedeutet doch wenn ich eine Ausbildung machen möchte – muss ich mich doch vorher intensiv damit beschäftigen, was umfasst diese Arbeit, Arbeitszeiten Verdienst etc! Und werst wenn ich sage, jau das ist es kann ich mich dann doch bewerden.
Und gerade beim TV & Film ( wo ich oftmals tätig bin ) ist es ganz oft so – bei Markus Branche sicher auch – dass es viele Leute gibt, die gerne mal “ einen Tag / eine Woche / einen Block “ mitlaufen wollen um sich das anzuschauen…. Und wenn ich so was dann in meine Bewerbung schreibe, dass ich den beruf lernen möchte aber mich vorher schon kundig gemacht habe was wie so…. ist das sicher ein guter Punkt…. Also die Möglichekeiten der Infomationsholung über egal welchen beruf sind doch heut zu Tage unbegenzt!
sag ich doch Justin! und im Internet kann ich mich über die meisten Firmen Arbeitgeber ein Bild machen.
Und beim Beispiel zu bleiben: Wenn ich Elektriker werden will, muss ich wissen, dass ich Wände aufschlagen oder stemmen muss, den Bauschutt raustragen etc, tolle elektrische Verdrahtungen oder High-Techverschaltungen wird nicht zwingend der Alltag sein!!!!!
unsere Erfahrungen mit Schülern, die einge Makel im Zeugnis haben, sind nicht die schlechtesten. Wir haben häufig Schulabbrecher aus Gymnasium in der Ausbildung und das kann dann schon was sehr gutes werden!!!! nicht jeder Knirps mit 15 Jahre ist so selbstständig, dass er ein klares Bild von seiner beruflichen Zukunft hat.
Also Justin mir sind Deine Kriterien wie Arbeitszeiten, Verdienst etc (Karriere) für einen jugendlichen Berufsanfänger zu hart. Wieviel Leute studieren ohne klare Berufsvorstellungen??? Der NC ist eine Weichenstellung!!! Der junge Mensch sollte schon auch noch irgendwelche Ideale haben!!!
Bei einem Freelancer bewerben? Naja bei der heutigen Lage auf dem Arbeitsmarkt ist es sicherlich nicht einfach einen Ausbildungsplatz zu finden. Da versuchen einige eben alles.