Seit wenigen Tagen erst ist im Bucerius Kunstforum am Rathausmarkt Hamburg eine hochinteressante Ausstellung über die Gräber aus der lukanischen Zeit Paestums zu sehen. Diese Ausstellung ist insoweit eine Sensation, als daß die Gräber in dieser Form noch nie irgendwo ausgestellt wurden. Im heimatlichen Paestum sind die einzelnen Platten zwar auch teilweise zu sehen, aber nie im kompletten Kontext. Nur durch den Umstand, daß das Bucerius Kunstforum früher mal eine Filiale der Bundesbank war und dadurch der Boden aus 5m dickem Stahbeton besteht, können die tonnenschweren Grabplatten so zusammengestellt werden, wie sie ursprünglich mal im Erdboden gefunden wurden.
Außerdem lernt man, daß Süditalien im 8. Jahrhundert vor Christus durch die Griechen besiedelt wurde, jene von den Lukanern (einem norditalienischen Stamm mit der damaligen Sprache aus dem Donaubereich, Oskisch) im 4. Jahrhundert v.C. verdrängt wurden, bevor die Römer im 2. Jahrhundert v.C. die Macht übernahmen. Ich bin ja ehrlich, von den Lukanern hatte ich bisher nie etwas gehört, was auch nicht weiter verwunderlich ist, weil selbst Wissenschaftler bis in die 50er Jahre hinein nichts von ihnen wußten.
Paestum selbst war viele Jahrhunderte vergessen. Es wurde je nach Quelle im 7. bis 11. Jahrhundert nach Christus aufgegeben, da die immer schlechter gewarteten Viadukte der Römer die Landschaft versumpfen ließen und wahre Moskitoplagen das Land befielen. Erst im 18. Jahrhundert fand man die eigentlich unübersehbar großen Tempelanlagen der Griechen „zufällig“ wieder, was zeigt, daß es dort wirklich sehr ungemütlich gewesen sein muß. Bis zum Fund der lukanischen Gräber sollten aber noch einmal 200 Jahre vergehen.
Mit Ausnahme des obigen Kindergrabes (man sieht, auch vor 2.400 Jahren machte ein Kindertod die Menschen sprachlos), hatten die Gräber über die Jahre der lukanischen Zeit hinweg immer die gleichen Symbole und Zeichen. Gerade durch diese Uniformität der Gräber lassen sich besonders gut die individuellen Eigenheiten des Begrabenen feststellen, weil die Malereien eben nur in kleinen Detail voneinander abweichen und diese Variation dann eben wichtig sein muß. Auch läßt sich sehr gut erkennen, wie sehr sich die Kunst der Malerei in dieser Zeit verändert hat. Von einfachen platten Zeichungen entwickelte sich die Kunst in 200 Jahren zu Bildern mit guter räumlicher Darstellung und reichem Licht/Schatten – Spiel.
Beachtlich ist, daß die Gräber und Malereien innerhalb kürzester Zeit entstehen mußten. Anders als bei den Ägypern wurde nicht balsamiert, anders als es uns heute der Undertaker erzählt, konnte man noch nicht kühlen. Das heißt im Klartext, daß die Gräber innerhalb von 24 bis seltener 48 Stunden ausgehoben, mit den vier Sandsteinplatten ausgekleidet (jede bis zu zwei Tonnen schwer), mit weißer Farbe grundiert und bemalt wurden.
Die Lukaner glaubten an ein Leben nach dem Tod; das erzählen uns die reichlich vorhandenen Symbole für Ewigkeit und auch die Grabbeigaben, auf die ich später noch einmal zurückkommen werde. Nach dem Tod traten die Menschen in eine andere Welt ein. Die Gräber jedoch wurden mit zwei Sandsteinplatten verschlossen und mit Erde überschüttet, so daß Grabhügel entstanden. Im Laufe der Jahrhunderte füllten sich die Zwischenräume des Nekropoles mit Erde, so daß erst viel später ein Bauer beim Pflügen wieder auf die Gräber stieß.
Aus den Malereien lassen sich auch Details aus dem Alltagsleben erkennen. So waren die Lukaner ein kriegerisches Volk. Der Mann war der Kämpfer, die meisten starben im Kampfe. Der Frau war es auferlegt, sich um Haushalt und Haustiere zu kümmern. Kinder hatten einen hohen Wert.
Auch die gesellschaftliche Stellung der Menschen ist anhand der Zeichnungen zu erkennen; ebenso die Mode- und MakeUp – Entwicklung bei den Lukanern, oder die Art der gebrauchten Musikinstrumente.
Hier noch mal ein Kindergrab. Sehr schön gefällt mir, daß der Vater dem Kind auf der Zeichnung hilft, den Weg in die Ewigkeit zu finden, damit es nicht verloren geht, sondern in Frieden weiterleben kann.
Neben den lukanischen Gräbern gab es in Paestum auch einige Gräber aus griechischer Zeit. Diese unterschieden sich allerdings in der Bauform; der Deckel besteht hier aus einer plan aufgelegten Platte und nicht aus zwei im Winkel zueinander stehenden Platten. Im Gegensatz zu den lukanischen Deckenplatten sind die griechischen Platten bemalt. Hier sieht man eine Platte aus griechischer Zeit, auf der der Tote in das neue Leben eintaucht, wie ein Turmspringer ins Wasser.
Neben Knochenresten fand man in den Gräbern diese aufwendig bemalten Töpereien; die wichtigsten Gefäße, die man nach dem Tod im ewigen Leben brauchte, wurden mitgegeben, damit man unbeschwert leben kann und es an nichts mangelt.
Als man Paestum in der Mitte des 18. Jahrhunderts wieder entdeckte, war die Begeisterung bei den Kulturinteressierten groß. Viele Maler reisten dorthin, weil es über 2.000 Jahre alte Tempel in gutem Zustand gab — ein sehr beliebtes Motiv. Bis heute ist es so, daß es nirgends so gut erhaltene griechische Tempel wie in Paestum gibt; auch nicht in Griechenland.
Dieser großen Begeisterung ist es zu verdanken, daß man heute noch genauestens über den Zustand der Tempel und des Geländes zum Zeitpunkt des Fundes informiert ist. Einzelne Künstler verewigten bücherweise Zeichnungen und Skizzen der Bauwerke, was heutigen Forschern ermöglicht, die Zerstörungen der letzten 250 Jahre zu erkennen. Gerade die vielen Touristen sind da wohl nicht ganz unschuldig, da die Tempel bis vor wenigen Jahren frei begehbar waren.
Durch die unterschiedlichen Stile und Perspektiven der verschiedenen Maler entsteht so ein sehr genaues Bild Paestums zum Zeitpunkt des Fundes.
Ihr seht, die Ausstellung ist umfangreich, interessant und wirklich besuchenswert. Der Eintritt beträgt 5,00€ für erwachsene Besucher, für 2,00€ gibt es einen Audioguide, den ich empfehlen kann. Euch viel Spaß bei Eurem Besuch.
:-)
Was bist Du doch ein schlaues Kerlchen!
Ich habe zuvor noch nie etwas von den Lukanern gehört. Bedenken sind mir gekommen , als ich die Darstellung des Tauchers gesehen habe. Ich habe dann wohl keine Aussichten, ins andere Leben zu gelangen.
Allerdings kenne ich auch Deine Schwimmkünste nicht so genau. Turmspringen ist wohl auch nicht Deine Stärke.
Liebe Grüße Vatern
Na ja, meine Schlauheit beruht auch nur auf die Ausstellung und nachfolgende Internetrecherchen. Schwimmen klappt übrigens ganz gut und auch vom 10m – Brett komme ich heil runter. Wir sind zu Segelzeiten immer von der Klüverbaumspitze gesprungen. Da brauche ich mir also keine Sorgen ums Paradies zu machen.
Ist der Boden wirlich aus 5m dicken Stahlbeton? Ich bin kein Bauexperte, aber das käme mir mehr als sehr dick vor. Und wenn es so wäre: warum 5m dick – was ist der Zweck/Ssinn/Grund dafür?
Der Boden des Erdgeschosses ist die Decke des Kellers und was ist bei einer Bank im Keller ? Richtig, der Tresor — der bei einer Bundesbankfiliale auch gern mal etwas größer ausfällt.
Hallo, coole Fotos! Heute war ich in der Paestum-Ausstellung in Berlin, faszinierend! Leider durfte ich dort keine Fotos machen. Hast Du diese hier in Hamburg selbst gemacht? Grüße, Sabrina
Ja, diese Photos der Hamburger Ausstellung sind von mir. Hier war das Photographieren auch nicht verboten.
Wenn ihr die Ausstellung schon toll findet müsst ihr unbedingt mal ins ursprügliche Paestum reisen. Ich war jetzt zweimal dort und kann gar nicht genug kriegen. Auch die Region drumherum spiegelt das urspruengliche Italien, mit seinen deutlich griechischen Wurzeln gut wieder.