Während sich andere immer noch vor Gericht herumschlagen müssen (ich hatte gehofft, daß dieses Thema sich mal erledigt), gibt es hier größere Hektik bezüglich unserer Carnets für die Schweiz. Während ich die Ausweitung der EU für eine recht schwachsinnige Idee halte, so bin ich doch ein großer Freund des Gedankens, die Struktur der EWG weit auszudehnen — am liebsten weltweit. Dann könnte man sich nämlich auch diesen ganzen Papierkrampf sparen, den jeder Grenzübertritt mit sich bringt.
Innerhalb des politischen Europas können Waren frei durch die Gegend geschoben werden. Grenzen, Zölle, Formulare interessieren niemanden. Überschreitet man jedoch die Grenze zu einem nicht EU – Land, wie es die Schweiz leider immer noch eins ist, erwartet einen das Grauen der Bürokratie. Jedes einzelne Teil muß genau spezifiziert werden. Man darf dann beispielsweise nicht sagen „eine gefüllte Schraubenkiste“, sondern müßte muß schreiben „eine rote Kunststoffkiste mit 12 Fächern, Wert 3,49€, gefüllt mit 12 Messing – Senkkopfschrauben 4,5 x 20, Wert 1,20€, 15 Metallschrauben 4 x 30, Wert 0,75€, etc.“. Und weil die Schweiz als eines der ganz wenigen Länder der Welt nicht nur Wert- sondern auch Gewichtszölle hat, muß man zu allem auch noch die Gewichte schreiben. Super. Unsere Show besteht aus über 500 Einzelteilen, Schrauben jetzt mal weggelassen, die alle einzeln mit Seriennummern und allem Pipapo aufgeführt werden müssen. Allein mit der Erstellung der Liste und dem Verwiegen ist man schon mal ein wenig beschäftigt. Diese Liste braucht man bei einem Grenzübertritt auf jeden Fall, egal, ob man jetzt mit oder ohne Carnet ATA reist.
Ohne Carnet wird es an der Grenze dann richtig kompliziert. Die Ware muß verzollt werden. In Bar. In Landeswährung. Dabei verhandelt man bei einem Grenzübertritt immer mit zwei Behörden; zum einen mit dem Zoll des Landes, aus dem man ausreist (von denen man MwSt. bekommt) und zum anderen mit dem Zoll des Landes, in das man einreisen will (die Geld sehen wollen). Bei einer Tournee verläßt man ja in endlicher Zeit das Land auch wieder und dann geht der ganze Klumpatsch wieder rückwärts. Das ist nervig. Und weil das alle eingesehen haben, hat man das Carnet ATA erfunden. Mit diesem Carnet verspricht man mit Pfadfinderehrenwort, daß man die eingeführte Ware auch wirklich innerhalb eines Jahres wieder mit nach Hause nehmen will. Dafür erspart man sich die ganze Verzollung, der Grenzübertritt erfolgt kostenfrei. Hurra. Leider gilt auch das Pfadfinderehrenwort nicht mehr so viel wie früher und so verlangen die ausländischen Zollbehörden, daß eine Sicherheit hinterlegt ist, falls man Ware doch nicht wieder ausführt. Bis 50.000,00€ Warenwert übernimmt das die Hermes, eine Handelsversicherung des Bundes. Darüber hinaus muß man bei der Hermes Bürgschaften hinterlegen.
Normalerweise weiß man ja rechtzeitig, wenn man so eine Reise antreten will. In unserem Fall auch. Ohne daß ich jetzt hier öffentlich den Finger in eine bestimmte Richtung ausstrecken will, so hat man mir die Aufgabe der Carneterstellung doch recht kurzfristig übergeben. Was zur Folge hat, daß wir doch sehr in Zeitdruck kommen. Sonntag haben wir unsere letzte Show, danach wird abgebaut und in LKW verladen. Vor dem ersten Grenzübertritt muß man beim Zoll aber eine sogenannte Nämlichkeitssicherung, also eine Beschau der Waren, vornehmen lassen. Bei uns im Showbiz bestellt man die Zöllner beim Abbau zu sich auf die Bühne, dann können sie sich alles in Ruhe ansehen und man muß den Laster nicht wieder komplett auf dem Zollhof ausladen. Das heißt, daß ich Sonntag Nacht das Carnet brauche. Das heißt, daß ich spätestens heute um 16:00 Uhr das Carnet bei der Handelskammer (die diese Papiere ausstellen) abholen muß, weil sie danach ins Wochenende entschwinden. Das heißt, daß die Bank jetzt bitte mal mit der Bürgschaft rüberkommt (siehe oben; ohne Bürgschaft kein Carnet). Das heißt, daß ich jetzt noch mal ’ne Runde telephoniere. Es ist 13:29 Uhr.